Blutmord (Ein Paula Franz und Max Dörner Krimi)
Verhaltens. Laue Sommerabende. Unipartys. Wein. Ein Kurztrip nach Holland. Sie waren nie enge Freundinnen gewesen, aber sie hatten einer gemeinsamen Gruppe von Studentinnen angehört, die einige Zeit lang viel gemeinsam unternommen hatten. Damals, als alles noch leicht war und das ganze Leben vor ihr lag. Eine schöne Zeit, dachte sie wehmütig daran zurück. Sie versuchte sich daran zu erinnern, was sie als letztes von Marie gehört hatte. Irgendwann hatte sich der Kontakt verlaufen, sie hatten nur einige Seminare gemeinsam belegt, Paula hatte sich später auf Kriminologie spezialisiert, Marie auf Sonderpädagogik. Sie wusste, dass Marie noch während ihres Studiums Mutter geworden war. Eine Tochter, meinte sich Paula zu erinnern. Sie hatte damals einen Kommilitonen geheiratet und die gemeinsame wilde Zeit der Gruppe hatte sich allmählich in andere Kontakte kanalisiert. Jeder war irgendwie mit jedem Semester ernsthafter geworden, die Pläne für die Zukunft waren gereift und alle konzentrierten sich auf die anstehende Karriere. Sie musterte Marie nun eingehend. Ja, sie hatte sich verändert, war älter geworden, ein bitterer Zug lag um ihren Mund, auch die Augen sahen eher traurig aus. Aber sie konnte die junge Studentin mit dem lauten, ansteckenden Lachen, die für jeden Scherz zu haben war, in diesem Gesicht wiedererkennen. Paula musste schmunzeln. Die Erinnerung an diese unbeschwerte Zeit, die unendlich lange her zu sein schien, löste in ihr ein schönes Gefühl aus. Sie erinnerte sich gerne an diese Zeit zurück. An ihre wilde Zeit. Endlich trat sie einen Schritt auf Marie zu und nahm sie kurz in den Arm. „Marie, ja natürlich. Ich freue mich sehr dich wiederzusehen.“ Sie ließ Marie los und lachte sie an. „Wie geht es dir?“ Paula sah sie fragend an, fuhr aber direkt fort „Mein Gott, das ist ewig her. Lass mich überlegen, das ist bestimmt mehr als zehn Jahre her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben, oder?“
Marie lachte ihr unverkennbares Lachen. Früher konnte ihr niemand lange böse sein, wenn sie zu diesem Lachen ansetzte. Man musste unwillkürlich einfallen. „Ob du es glaubst oder nicht, es ist ziemlich genau fünfzehn Jahre her“, Marie nahm dabei ihre Hand und drückte diese. „Ich freue mich auch sehr, wirklich. Ich treffe so gut wie niemanden von der Clique damals. Die eine ist nach Italien ausgewandert, eine ist schon gestorben und die anderen haben sich auch in alle Richtungen verlaufen. Ich habe eigentlich zu niemandem mehr Kontakt. Ich habe ja noch gegen Ende meines Studiums meine Tochter, Lara, bekommen. Ich habe geheiratet und das war es dann auch erst einmal. Trotz guter Vorsätze ist man dann zunächst einmal Mutter und sonst nichts. Schrecklich, wie man zu so einem Muttertier mutiert, wobei man vorher immer gesagt hat, mir passiert das nichts. Aber ich habe mich plötzlich in Spiel-, Schwimm- und Pekipgruppen wiedergefunden und nach einem Jahr habe ich mich gefragt, wo ist mein eigenes Leben? Naja, nun ist sie ja aus dem gröbsten raus“, Marie lachte erneut und deutete mit ihrem Kopf auf die Schule. „Sie geht hier zur Schule, sie ist schon in der zehnten Klasse. Kannst du dir das vorstellen? Unglaublich. Wie geht es dir? Bist du tatsächlich bei der Polizei gelandet, so, wie du dir das damals vorgestellt hast?“, Marie schaute sie fragend an.
Paula nickte. „Ja, seit zehn Jahren bin ich nun schon Polizistin, inzwischen Kriminalhauptkommissarin. Wie du schon festgestellt hast, die Zeit rast uns davon.“ Paula schaute kurz nach unten. Zehnte Klasse, wiederholte sie im Kopf, dann sah sie wieder auf. „Ist deine Tochter in der gleichen Klasse wie Kate Dreyer?“, sie schaute Marie fragend an.
Sofort nahm das Gesicht von Marie einen anderen Ausdruck an, sie sah betroffen aus. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, in der Parallelklasse. Aber ich kenne Kate. Also ich kannte sie. Lara und Kate waren befreundet, nicht die allerbesten Freundinnen, aber sie haben schon mal ab und zu etwas zusammen unternommen. Kate war früher auch manchmal bei uns zu Hause. Ich finde es ganz schrecklich, was mit Kate passiert ist. Das kann ich dir gar nicht sagen. Die armen Eltern. Ihre Mutter wird es bestimmt kaum verkraften. Ermittelst du in diesem Fall?“, fragte Marie. Paula nickte. „Gibt es schon eine Spur?“, fragte Marie erneut.
Paula schüttelte den Kopf und sagte dann „Ich darf darüber leider nicht sprechen, es tut mir leid.“ Die beiden Frauen blieben einige Sekunden stumm
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