Blutmord (Ein Paula Franz und Max Dörner Krimi)
Lieblingsitaliener, direkt um die Ecke. Sie hatten sich an den hintersten Tisch zurückgezogen.
„Wie in alten Zeiten“, sagte Max mit vollem Mund.
„Ja, manche Dinge ändern sich nie“, nickte Paula, „zum Beispiel dass du beim Essen immer mit vollem Mund reden musst. Naja, egal. Ich frage mich die ganze Zeit, woher Kate so viel Geld hat. Welche Einnahmequellen hat ein junges Mädchen? Diebstahl, Erpressung, Dealen, andere illegale Nebentätigkeiten, Schmuggeln? Oder legal durch einen gutbezahlten Nebenjob? Ich bin echt überfragt. Kate hat das Geld nicht von ihren Eltern. Das ist klar. Und ihre Eltern wussten auch nichts von einem Job neben der Schule. Also kann sie das Geld ja eigentlich nur durch dubiose Geschäfte erhalten haben. Du musst morgen bei den Eltern noch einmal nachhaken. Insbesondere bei der Mutter und dem Bruder. Mütter wissen meistens mehr als Väter. Und wie du ja aus eigener Erfahrung weißt, für gewöhnlich kleine Brüder noch mehr als die Eltern. Mal schauen, was ich in der Schule herausbekommen kann. Zumindest von dem Psychologen erhoffe ich mir einige Antworten. Was meinst du?“, Paula sah Max fragend an.
Dieser nickte: „Wir müssen uns auf jeden Fall ein umfassendes Bild von Kate machen. Sie scheint ein ganz normales Mädchen gewesen zu sein. Aber irgendetwas stimmt da nicht. Das ist alles zu glatt. Den Schuleintrag dürfen wir auch nicht vergessen. Das müsste der Psychologe ja beantworten können. Ansonsten könnten wir uns vielleicht noch einmal in den Diskos hier im Umfeld umhören, vielleicht ist Kate dort aufgefallen oder jemandem in Erinnerung geblieben.“
„Das ist alles sehr vage“, Paula schüttelte den Kopf, „So kommen wir nicht weiter. Wie ich Freyberg kenne, müssen wir ihm spätestens übermorgen über den Stand der Ermittlungen Bericht erstatten. Ich sehe Johanna schon vor uns stehen: Ihr sollt sofort nach oben kommen, Freyberg möchte erste Ergebnisse sehen“, Paula starrte stumm auf ihre Pizza. Plötzlich klingelte ihr Handy. Sie zog es aus der Tasche und erkannte auf dem Display Annes Namen. Einige Sekunden ließ sie das Handy einfach weiter klingeln.
„Möchtest du nicht dran gehen?“, Max deutete auf das Handy.
Widerwillig drückte Paula auf die grüne Taste und sagte leise „Hey. Ich kann gerade nicht gut sprechen. Wir haben einen komplizierten neuen Fall. Ich melde mich, sobald ich Luft habe, okay? Es wird heute Abend auch bestimmt etwas später.“ Paula legte auf und wartete darauf, dass Max etwas sagte. Doch er blieb stumm.
„Also, wie gesagt, es läuft nicht gerade gut im Moment zwischen Anne und mir“, setzte Paula zu einer Erklärung an.
„Du musst mir nichts erklären, Paula. Das ist eure private Angelegenheit. Ich mag euch beide, daher tut mir das wirklich leid. Aber manchmal läuft es eben besser und manchmal schlechter. Das wird schon wieder, oder?“ Er suchte Paulas Augen, doch sie wich seinem Blick aus.
„Ich frage mich nur, warum es bei dir heute später wird. Bei mir nämlich nicht, wir schreiben noch den Bericht mit den bisherigen Fakten, mehr können wir gar nicht tun. Jetzt bin ich mal gespannt, welches Ass du aus deinem Ärmel ziehst, das dich bis Mitternacht an deinen Schreibtisch fesselt.“ Max grinste.
Paula schwieg einen Augenblick. „Ehrlich gesagt finde ich die Stimmung zu Hause im Moment unerträglich. Ich möchte Anne nicht verlieren, aber ich kann so auch nicht mehr weiterleben. Wir reden kaum ein Wort miteinander. Ich weiß, ich bin an der Situation nicht unschuldig und Anne hat versucht, für mich da zu sein. Sie wollte die letzten Monate gemeinsam mit mir durchstehen, an meiner Seite und mir helfen. Aber es hat einfach nicht funktioniert. Sie ist momentan nicht der Mensch, mit dem ich über meine Gefühle reden kann. Ich habe derzeit das Gefühl, dass ich meine Gefühle lieber mit mir selbst ausmache, anstatt sie Anne mitzuteilen. Wir entfernen uns immer mehr voneinander. Da ist im Moment absolut keine Nähe zwischen uns. Weißt du, heute hat mir Marie - meine ehemalige Kommilitonin - erzählt, dass sie wirklich schwierige Zeiten durchmachen musste: erst hat sie ihr Baby verloren und daran ist dann auch ihre Ehe zerbrochen. Marie und ihr Mann konnten die Trauer einfach nicht gemeinsam durchleben. Das kommt häufiger vor. Vielleicht ist das auch bei mir und Anne so. Vielleicht muss ich diese Trauer erst einmal alleine verarbeiten und das geht nicht mit Anne gemeinsam. Ich weiß es nicht, ich bin echt ratlos.“
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