Blutmord (Ein Paula Franz und Max Dörner Krimi)
gefragt, ob es noch etwas zu besprechen gäbe. Paula hatte ihr nichts zum Abschied mit auf den Weg gegeben. Wie immer war Paula stumm geblieben, unfähig ihre Gefühle in Worte zu fassen. Paula hatte geschwiegen. Sie waren so auseinander gegangen, wie sie die letzten Monate miteinander verbracht hatten: sprachlos. Nun war Paula alleine in der großen Wohnung, die sich ohne Anne plötzlich fremd anfühlte. Leer und unbewohnt. Sie schaute sich in der Wohnung um, sie hatten sich fast alles zusammen gekauft. Jedes Möbelstück erinnerte an Anne. Dies war ihr gemeinsames Leben. Paula fragte sich, ob nun alles vorbei war. Nach über vier Jahren stand plötzlich wieder alles auf Anfang. Ob dies der Wendepunkt in ihrem Leben war, in dem sie noch einmal von vorne beginnen musste. Allein und unabhängig. Selbstbestimmt. Vielleicht war dies ein Neuanfang, der ihr auch helfen konnte, zu sich selber zu finden. Hör auf. Wir sind nicht getrennt, sagte sie laut zu sich selbst. Es ist nicht vorbei, Anne gehört immer noch zu mir und meinem Leben. Sie ist nur bei ihrer Schwester, beruhigte sie sich selber. Trotzdem horchte sie in sich hinein. Was fühlte sie? Sie war traurig, definitiv. Sie hatte das Gefühl, dass etwas Besonderes zu Ende gegangen war, unwiderruflich. Sie war unsicher, ganz tief in ihrem Inneren glaubte sie auch so etwas wie Erleichterung zu spüren. Sie trat erneut an den Spiegel und hielt ihr Gesicht ganz nah davor. Sie suchte nach Gefühlsregungen - Spuren, die Anne hinterlassen hatte. Tränen stiegen in ihr auf, sie schaute zur Seite und wischte sich diese mit dem Handrücken fort. Sie schluckte schwer und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Plötzlich klingelte ihr Handy. Paula schreckte hoch und schaute auf das Display. „Ich weiß ich bin zu spät“, rief sie direkt ohne Begrüßung in den Hörer hinein. „Es tut mir leid, Max. Gib mir eine halbe Stunde und ich bin da. Versprochen.“
Genau 30 Minuten später öffnete Paula hastig die Tür zu ihrem und Max Büro. „Es tut mir wirklich leid, Max“, rief sie außer Atem und zog sich im Laufen die Jacke aus und schwang sie über ihre Stuhllehne. Die Tür ließ sie dabei offen stehen.
Max nickte. „Dir auch einen guten Morgen. Lass mich raten, eines von den fünf Bieren gestern Abend war schlecht?“
Paula schüttelte den Kopf. „Noch mal sorry. Ich erkläre es dir später, versprochen. Im Moment geht es noch nicht. Es gibt einen guten Grund. Später, ja?“ Sie schaute Max bittend an. Dieser nickte erneut.
„Und jetzt zur Arbeit. Habe ich etwas Wichtiges verpasst?“
Wieder nickte Max.
Paula wurde langsam ungeduldig. „Hast du deine Sprache verloren? Los rede schon.“ Sie sah Max dabei gespannt an. Sie bemerkte, dass ihr die Arbeit gut tat und sie ablenkte.
„Also“, begann Max und hielt dabei einige Seiten Papier hoch, „der Autopsiebericht ist da. Er kam vor circa einer halben Stunde per Fax.“
„Und? Sag schon“, fragte Paula, „möchtest du das Wissen für dich behalten oder bist du so freundlich und weihst mich in die Ergebnisse ein?“
Nun lächelte Max. „Ganz die alte Paula. Du hast schon wieder so einen Befehlston drauf. Okay, ich fasse mal zusammen. Kate Dreyer wurde mit einem Fleischermesser erstochen, 200 mm Klinge. Insgesamt wurden fünf Messerstiche ausgeführt. Zwei davon waren tödlich: einmal wurde das Herz getroffen, einmal die Halsschlagader. Ein Stich erfolgte in die Schulter, das scheint der erste Stich gewesen zu sein, dieser wäre nicht tödlich gewesen. Das konnte der Jahnke eindeutig anhand des Blutverlustes feststellen. Der zweite Stich war der Stich ins Herz, dieser folgte relativ schnell auf den ersten Stich. Der dritte, ebenfalls tödliche Stich in die Halsschlagader, erfolgte dann wiederum recht zügig auf den zweiten. Da war Kate allerdings bereits tot.“ Max sah auf und schaute Paula über die Blätter in seiner Hand hinweg an. Er lehnte sich zurück und legte seine Füße auf seinen Schreibtisch.
Paula warf einen irritierten Blick auf Max Füße, ließ sich davon aber nicht aus dem Konzept bringen. „Ja, und - das kann doch noch nicht alles sein“, sie nahm nun beide Arme zur Hilfe um Max zum Weiterreden zu animieren. „Komm, weiter“, rief sie Max ungeduldig zu.
Max grinste. „Kate ist also schon tot und trotzdem folgen noch zwei weitere Stiche und zwar recht gezielt in den Unterleib.“ Max nickte und schaute wieder auf die Seiten in seiner Hand. „Ich zitiere: ‚Stichwunde vier und Stichwunde
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