Blutnacht in Manhattan
wusste jetzt Bescheid und hätte mich eigentlich dafür in den Hintern treten können, weil ich es nicht sofort erkannt hatte.
Hier fehlte die zweite Tür! Die Hintertür!
So etwas wie ein Notausgang. Dabei musste sie in den Lokalen vorhanden und leicht zugänglich sein. Es konnte immer etwas passieren, sodass Menschen die Flucht ergreifen mussten.
Auch Judith und Abe Douglas verließen das Büro. Die Frau befand sich noch auf der Schwelle, als ich sie ansprach.
»Wo befindet sich hier der Hinterausgang? Oder Notausgang?«
Sie zuckte die Achseln. »Welcher Notausgang?«
»Kommen Sie. Tun Sie nicht so dumm. Sie wissen genau, was ich damit gemeint habe.«
»Den gibt es nicht.«
»Tatsächlich?«
»Ja.«
»Jedes Lokal muss ihn haben!«, stand Abe Douglas mir bei. »Und Sie wollen uns erzählen, die große Ausnahme zu sein?«
»Ja. Wir haben keinen.«
Ich sah das Blitzen in den Augen. Ich sah auch ihr Lächeln und wusste, dass sie uns angelogen hatte. Ich hatte eigentlich vorgehabt, den Gang hier zu verlassen. Das tat ich nun nicht mehr, denn jetzt hatte mich so etwas wie Jagdfieber gepackt. Ich sagte nicht, was ich vorhatte, das sah sie, denn ich schritt recht zügig dem Ende des Flures entgegen und blieb vor der Wand stehen.
Sie unterschied sich nicht von den Seitenwänden, das sah ich auf den ersten Blick. Aber ich untersuchte die Wand näher.
Sie war glatt – oder?
Ich klopfte dagegen. Dabei fand mein Fingerknöchel seinen Weg von links nach rechts. Zuerst war alles normal, da hörte ich nichts. Aber es veränderte sich das Echo. Hohl klang es nicht, nur anders, und das machte mich misstrauisch.
Ich hatte nicht nur gegen Stein geklopft. Das Geheimnis war zwar nicht gelüftet, doch ich wusste jetzt, dass hier nicht alles so normal war, wie es den Anschein hatte. Deshalb machte ich weiter. Von unten nach oben, von oben nach unten. Auch seitwärts, bis ich sicher war, dass ich den Umriss einer Tür abgeklopft hatte.
Perfekt!
Ich drehte mich wieder um. Dabei sah ich, dass Abe Douglas die Blonde von der Türschwelle weg in den Gang hineinschob und ihr die Hand auf die Schulter legte, um ihr zu zeigen, dass sie keinen Schritt mehr gehen sollte.
Ich winkte sie zu mir.
Judith ging langsam. Zu sagen brauchten wir nichts mehr. Sie musste sich jetzt fühlen wie in einer Falle, und das sah ich ihr auch an. Ihr Gesicht war noch unbeweglicher geworden, auch die Augen blieben starr. Dazu passten ihre hölzernen Gehbewegungen.
»Haben Sie uns etwas zu sagen?«
»Nein, warum?«
Ich deutete mit dem Daumen über meine Schulter. »Was befindet sich hinter mir? Jetzt sagen Sie nur nicht, dass es eine Wand ist, dann drehe ich noch durch.«
»Was sonst?«
»Eine Tür. Ich habe es am Echo meiner Klopfgeräusche gehört. Jetzt möchten wir nur von Ihnen wissen, wie man die Tür öffnen kann, denn eine Klinke gibt es nicht.«
»Ich weiß nichts.«
Mit dieser Antwort hatten wir beide gerechnet. Diesmal war es Abe Douglas, der handelte. »Da Sie nichts wissen, werden wir zu anderen Maßnahmen greifen müssen. Ich werde einige Männer von einem Spezialkommando kommen lassen. Sie stemmen die Tür auf.« Er holte sein Handy hervor, was Judith auffiel, sodass sie eingriff.
»Nein, warten Sie bitte.«
»Ach?« Er schaute die Frau spöttisch an. »Haben Sie plötzlich den Sesam-öffne-dich gefunden?«
»Es ist eine Tür.«
»Gut. Und wo führt sie hin?«
»In einen kleinen Flur.«
»Sonst nichts?«
»Man kann von ihm aus den Keller erreichen.«
Bisher war sie verstockt wie ein Fisch gewesen. Auf einmal konnte sie reden, und das wiederum wunderte uns beide. Ich sah den misstrauischen Blick meines Freundes. Sicherlich fragte auch er sich, was hinter der plötzlichen Redefreudigkeit dieser Person steckte.
»Und was befindet sich in diesem Keller?«
Judith schaute mich so harmlos wie möglich an. »Alles Mögliche«, meinte sie dann.
»Was genau?«
»Krempel. Gerümpel. Ausrangierte Stühle unter anderem. Nichts Besonderes also.«
Ich nickte. »Sehr schön, doch ich denke, dass wir uns davon selbst überzeugen sollten.«
Plötzlich zwinkerte sie mit den Augen. Die Nervosität hatte sie überfallen. »Sie können mir glauben, wir haben keine Leichen im Keller versteckt. Wirklich nicht.«
»Leichen würden auch riechen«, sagte Abe Douglas trocken. »Hier im Haus leben doch noch andere Mieter, die ebenfalls Keller besitzen. Wie kommen Sie denn mit denen zurecht?«
»Die haben ihre Keller woanders. Außerdem
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