Blutnacht in Manhattan
liegen in den Etagen über uns Büroräume. Was die Firmen in ihren Kellern lagern, interessiert nicht die Bohne.«
»Stimmt. Uns auch nicht. Aber jetzt möchten wir, dass Sie uns die Tür öffnen.«
Judith konnte sich nicht mehr wehren. Da half kein Hinauszögern. Das musste durchgezogen werden. Wie schon erwähnt, keiner von uns sah eine Klinke oder einen Griff. Das war auch nicht nötig, denn es gab andere Möglichkeiten, einen Ein- oder Ausgang zu schaffen. Dazu musste nur ein Mechanismus in Gang gebracht werden.
Ohne uns noch eines Blickes zu würdigen, trat sie ziemlich dicht an die Tür heran. Dann ging sie nach rechts und schob ihren Fuß so weit vor, dass die Spitze die Wand berührte.
Dort existierte ein für uns nicht sichtbarer Mechanismus, der durch die Berührung dafür sorgte, dass sich die Wand vor uns bewegte, keine Wand, sondern eine Tür, die nach innen schwang und uns keine Überraschung bot, denn unsere Blicke fielen wieder in einen Gang hinein. Da hatte Judith nicht gelogen.
Aber wie ging es weiter. Ich hatte eine Treppe erwartet, doch die sah ich nicht. Nur einen kurzen Gang, zu dem auch der Ausdruck größere Nische gepasst hätte.
»Wollen Sie uns auf den Arm nehmen?«, fragte Abe.
Judith drehte kurz den Kopf. »Nein.«
»Und wo, bitte, geht es zum Keller?«
»Kommen Sie.«
Judith führte uns, blieb nach zwei Schritten bereits stehen und drehte sich nach rechts.
Wir führten die Bewegung ebenfalls durch und holten kurz Luft, denn wir standen vor einer schmalen Fahrstuhltür.
»Es ist der Weg«, erklärte Judith. »Dann habe ich meine Pflicht wohl getan.«
»Sie wollen gehen?«
»Ja, Mr. G-Man, warum nicht? Einen Keller können Sie ja wohl allein durchsuchen.«
»Kann ich, will ich aber nicht. Und vor allen Dingen dann nicht, wenn ich gewissen Leuten nicht vertraue.«
Judith zeigte sich störrisch. Sie kam sogar mit einer plausiblen Ausrede. »Ich werde vorn im Lokal gebraucht. Verstehen Sie das nicht?«
»Das kann der Süße hinter der Bar übernehmen. Sie bleiben bei uns!«
Das gefiel ihr nicht. Judith schaute zur offenen Tür, doch den Weg hatte ich ihr versperrt.
» Sorry , aber mein Freund hat Recht.«
»Gut«, flüsterte sie nur, »gut...«
Sie fügte nichts mehr hinzu, doch mir war der Klang in ihrer Stimme nicht entgangen. Es hatte etwas Lauerndes darin gelegen oder auch eine angedeutete Drohung.
Der Lift musste erst von unten geholt werden. Das war kein Problem für Abe. Schon bald erschien die Kabine. Ein Blick durch das Sichtfenster zeigte uns, dass der kleine Raum dahinter leer war. Erst dann öffnete ich die Tür.
Vier Personen passten bequem hinein. Bei sechs Leuten würde es Probleme geben, aber so viele waren wir nicht. Ich betrat den Lift als Letzter und drückte auf den untersten Knopf, neben dem kein Zeichen stand, wohin er führte.
Nach einem kurzen Rucken fuhren wir an. Es war zwischen uns bereits recht viel gesprochen worden, deshalb schwiegen wir jetzt. Aber Abe und ich beobachteten das Gesicht der Blonden. Es blieb mehr ein Versuch, denn sie hatte den Blick gesenkt und schaute dabei auf ihre Füße, als gäbe es dort etwas Besonderes zu entdecken.
Schließlich hob sie den Kopf und gestattete uns einen Blick in ihr Gesicht. Da glich es einer Maske, in der nur noch die Augen lebten, und die konnte man als verdammt unruhig bezeichnen.
Judith stand unter Spannung. Genau das konnten wir auch von uns behaupten. Die Spannung kribbelte überall im Körper, von den Finger- bis zu den Zehenspitzen.
Der Lift stand.
Abe und ich warteten auf eine Reaktion der elegant gekleideten Frau. Sie war hier zu Hause, und ihr wollten wir den Vortritt lassen, aber sie tat nichts.
»Wollen Sie nicht aussteigen?«, erkundigte ich mich mit leiser Stimme.
Meine Frage hatte sie aufgeschreckt. Ich sah das Zucken der Lippen. Auch die fahrige Bewegung durch das Haar. Dann sprach sie uns an. Ihre Worte erinnerten an eine Bitte.
»Wollen Sie es sich nicht noch mal überlegen?«, flüsterte sie. »Noch können Sie zurück.«
Ich lächelte sie entwaffnend offen an. »Nein, wir wollen uns nur den Keller anschauen, der mit altem Gerümpel vollgestellt ist.«
Sie schluckte und sagte: »Ich habe gelogen!«
»Ach!« Wir taten beide überrascht. »Kein Gerümpel?«
»So ist es.« Sie nickte mir zu.
»Was gibt es dann dort zu besichtigen?«, wollte Abe wissen und konnte sein süffisantes Grinsen nicht verbergen.
Judith knetete ihre Hände. Mir fiel jetzt auf, dass sie sehr
Weitere Kostenlose Bücher