Blutnächte - 2
sitzen und verschränkte die Hände vor dem Gesicht, um ihren Kummer zu verbergen.
Pascal blieb stumm. Er rang mit sich selbst. Warum empfand er nur so viel Mitleid und Zuneigung für diese Frau? Er wollte sich neben sie setzen. Sie in die Arme nehmen und beruhigend über ihr wunderschönes schimmerndes, schwarzes Haar streichen. Ein schmerzhafter Stich bohrte sich in seinen Brustkorb.
„Du quälst mich. Merkst du das denn nicht?“, presste sie hervor. Sie verachtete sich selbst für diese Offenbarung ihrer Gefühle. Aber sie konnte nicht anders. Die Worte kamen von ganz allein über ihre Lippen. Sie wagte es nicht, sich nun vom Fleck zu rühren oder gar zu ihm aufzusehen. Er musste sie für erbärmlich halten. Nicht einmal fünf Minuten hatte sie seiner übermächtigen Präsenz standhalten können.
„Es tut mir leid.“
Der Satz bohrte sich in ihren Kopf, ohne dass sie ihn tatsächlich verstand. Es tat ihm leid! Was meinte er damit? Die vergangene Nacht? Dass er sie nun verfolgte?
„Ich wollte dich nicht verfolgen“, sagte er, als könnte er in ihr lesen wie in einem offenen Buch.
Isabella regte sich mit einem Mal doch. Irritiert starrte sie ihn an. Er wirkte weder Furcht erregend noch grausam. Er war alles andere als das. Anziehend und verführerisch. Eine Versuchung. Aber gerade das machte ihn so unheimlich gefährlich.
Abrupt befreite sie sich von seiner hypnotischen Wirkung. Reiß dich verdammt noch mal zusammen, schalt sie sich selbst.
„Warum stehst du nur da und siehst mich an? Was willst du von mir? Mein Blut? Bitte!“ Sie streckte ihm ihr Handgelenk entgegen. Abermals erschrak sie über ihr eigenes Verlangen. Seine Nähe elektrisierte sie. Es kostete sie so unglaublich viel Kraft, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Ruhig zu atmen. Sich nichts anmerken zu lassen. Doch ihr Arm, den sie weiter ausgestreckt hielt, wurde schnell zur Last und wollte sich einem Zittern ergeben.
Pascal verharrte nach wie vor. Wie eine Statue stand er ihr gegenüber und sah auf sie hinab. Natürlich sehnte er sich nach ihrem Blut. Er gierte danach.
Es gab Vampire, die sich von einem derartigen Hunger in den Wahnsinn treiben ließen. Aber Pascal gehörte nicht zu dieser Sorte. Er war schon immer ein Meister der Selbstbeherrschung gewesen – abgesehen von der vergangenen Nacht.
Er schob diesen quälenden Gedanken schnell beiseite und rief sich in Erinnerung, aus welchem Grund er hierher gekommen war.
„Ich will dein Blut nicht. Und ich will dir auch sonst kein Leid zufügen“, sagte er schließlich.
Isabella ließ den Arm sinken. Die Situation fühlte sich eigenartig fremd an. Sie ertappte sich dabei, wie die Enttäuschung sich einen Weg von ihrem Bauch bis hinauf in ihre Kehle bahnte und ihr die Luft abschnürte. Er lehnte ihr Blut ab. Seine nächsten Worte sollten sie jedoch noch mehr überraschen.
„Ich bin gekommen, um dich zu beschützen.“
Sie zog die Nase kraus.
„Beschützen“, wiederholte sie gelangweilt. „Ich denke, ich bin alt genug, um mich selbst zu beschützen.“
Sie wollte ihn nicht als Aufpasser an ihrer Seite wissen. Sie wollte etwas ganz anders von ihm. Etwas Frivoles und Verwerfliches. In ihrer Fantasie malte sie sich die wildesten Augenblicke in seinen Armen aus.
Daran hätte sie nicht denken sollen, trotzdem tat sie es. Immerhin war der Blonde kein gewöhnlicher Mann wie alle anderen. Seine vampirische Aura überwältigte sie schlichtweg und setzte jegliche Vernunft in ihr außer Kontrolle.
„Du verstehst das nicht“, hörte sie ihn sagen und musste dabei auflachen. Hielt er sie etwa für ein naives Weibchen, nur weil sie sich nach seiner Nähe sehnte?
„Der Vampir, der dich eingesperrt hatte – Pierre – er ist auf der Suche nach dir. Und er wird dich finden. Er wird keine Ruhe geben, bis er dich wieder in seinem Kerker hat.“
„Dann werde ich wohl für eine Weile verreisen müssen“, gab Isabella leichtfertig zurück. „Ich habe Verwandte in Frankreich. Dort wird mich dieser Pierre nicht finden.“ Es war eine Lüge, sie hatte keinen einzigen Verwandten, aber sie wollte einfach nicht weiter darüber reden. Sie fühlte sich gekränkt und wollte, dass der Blonde auf der Stelle aus ihrer Wohnung verschwand. Offensichtlich interessierte er sich nicht für sie. Er leistete lediglich seinen Beitrag als eine Art Vampir-Polizei. Über die gemeinsame Nacht hatte er noch kein Wort verloren. Seine gesamte Erscheinung verwandelte sich vor ihren Augen in ein kühles,
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