Blutnächte - 2
gedrückt. Ihre Füße schienen ein Stück weit über dem Boden zu schweben. Das war allerdings nur ihr eigenes Empfinden. Ob es den Tatsachen entsprach, konnte sie nicht mit Sicherheit sagen. Ihr Kopf wollte sich nicht senken lassen, um die Füße und den Boden zu erkennen. Etwas zwang sie, geradeaus zu blicken.
Dort, direkt vor sich stehend, sah sie Chantal, die ein blutverschmiertes Grinsen zeigte, einer tollwütigen Katze gleich. Aus den Schatten hinter ihr tauchte Pierre auf. Er schob eine Hand über die Schulter der Vampirin, fasste sie an der Kehle und zog sie zurück. Mit der anderen Hand brachte er einen goldglänzenden Gegenstand zum Vorschein. Die Klinge blitzte gefährlich auf. Sie schmiegte sich gegen die straffe, aschfahle Haut Chantals. Stöhnend öffnete die Vampirin den Mund. Ihre Zunge stieß hervor, verlangte nach dem Geschmack von Fleisch und Blut.
Isabellas Blick blieb auf dem Dolch hängen. Ein Leuchten trat in den Rubinschaft. Im gleichen Augenblick flammte ihr linkes Handgelenk heiß auf. Das Armband verbrannte ihre Haut.
In Pierres Züge schlich sich ein verwunderter Ausdruck. Er hob seine goldene Waffe an und drehte sie in der Hand. Zum ersten Mal, seit er sie aus der Gruft der Alten gestohlen hatte, entwickelte sie ein Eigenleben. Ihr Innerstes pulsierte, als besäße es ein Herz. Dies musste der Augenblick sein, den er herbeigesehnt hatte. Der Dolch würde ihm nun bei einem Ritual die Kräfte der Alten übertragen.
Wenn der Dolch zum Leben erwacht und sein Herz nach Blut verlangt, so stand es in den Schriften.
„Es ist an der Zeit“, sagte er.
Chantal ahnte nicht im Geringsten, was er damit meinte. Er hatte ihr nichts von diesen Geheimnissen verraten. Sie wollte einfach nur mit ihren Opfern spielen. Mit ihren scharfen Fingernägeln kratzte sie erneut über Isabellas Haut, hinterließ blutige Striemen und amüsierte sich über das jämmerliche Wimmern der Sterblichen. Pierre hätte seinen Griff nicht lockern sollen, um dem goldenen Dolch seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Chantal nutzte die Gelegenheit sogleich aus. Sie entwischte ihm und grub die Zähne erneut in Isabellas Fleisch, um von ihrem Blut zu kosten.
Pierre knurrte wütend auf. Er streckte eine Hand vor, berührte Chantal jedoch nicht tatsächlich, sondern nur mithilfe seiner Gedanken.
Die Vampirin zuckte zurück, als hätte ihr jemand mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen. Mit beiden Händen hielt sie sich den Hals. Sie begann zu würgen. Ihr Körper drohte sich zu verkrampfen. Stolpernd machte sie ein paar Schritte rückwärts, an Pierre vorbei, bis sie von dem steinernen Altar inmitten des Raumes gestoppt wurde. Mit dem Rücken stieß sie hart dagegen. Sie rieb sich an dem Stein wie ein Tier, das sich vor Schmerzen wand. Hässliche Male gruben sich in ihre Haut, die nicht sogleich heilten, obwohl eine Vampirin wie Chantal über diese Fähigkeit verfügte. Geschwächt sank sie auf die Knie. Sie keuchte, als würde sie tatsächlich keine Luft mehr bekommen.
Pierre beachtete sie gar nicht weiter. Er streckte Isabella eine Hand entgegen. Seine Augen waren tiefschwarz, und in seinem Blick lag eine stumme Aufforderung. Alles an ihm strahlte Gefahr aus. Er wirkte Angst einflößend, gleichzeitig aber auch unheimlich anziehend. Isabella schüttelte sich unter dem Wechselbad der Gefühle. Sie wollte sich seinem düsteren Einfluss nicht ergeben. Mit aller Macht wehrte sie sich gegen ihn.
Sie drückte sich gegen die Wand, als könnte sie sich in einem der Schatten des Kerkers verstecken. Ihre Handflächen fuhren über den kalten, dreckigen Stein. Eine glitschige Stelle ließ sie erschaudernd in die Knie sinken. Dort blieb sie hocken, die Arme über das Gesicht verschränkt, bis Pierre sie packte und zurück in eine aufrechte Position zwang. Nun presste sich ihr Oberkörper direkt an den seinen. Mit jedem Atemzug spürte sie, wie sich ihre Brüste an ihm rieben. Wie sie von alledem erregt wurde, und ihre Knospen sich verhärteten. Sie hasste sich selbst dafür! Doch entfliehen konnte sie ihm nicht.
Langsam vollführte Pierre eine halbe Drehung, so dass Isabella wieder dem Altar gegenüberstand. Instinktiv wandte sie das Gesicht ab. Die Hand des Vampirs schob sich zwischen ihre Schulterblätter. Seine Fingerspitzen drückten mit enormer Kraft durch den Stoff in ihre Haut. Der Schmerz erreichte ihren Brustkorb. Sie stolperte voran – auf Chantal zu – die sich noch immer keuchend am Altar festzuhalten versuchte.
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