Blutnächte - 2
fühlte.
Sie hatte vergessen, in welcher Lage sie den Schlaf gefunden hatte. Der weiche Körper unter ihr irritierte sie für einen Moment. Alice döste noch. Ihr Busen hob und senkte sich in einem gleichmäßigen Rhythmus.
Isabella hörte den Herzschlag von Alice. Sie lag mit der rechten Gesichtshälfte auf nackter Haut – zwischen den Brüsten ihrer Kommilitonin. Als sie den Kopf nun ein Stück anheben wollte, wurde sie sich der Stricke gewahr, die sie viel zu fest an den Altar und die Frau unter ihr banden. Zudem setzten ihre Körperfunktionen allmählich wieder ein. Sie verspürte Hunger und Durst – und nebenbei noch ganz andere Bedürfnisse. Wie lange würde sie noch ausharren können, ehe ihr ein Missgeschick passierte?
Verflucht!
Sie biss sich auf die Unterlippe.
Ein Geräusch auf der anderen Seite des Raumes lenkte sie ab. Es klang, als würde jemand über Stein kratzen.
„Bella“, vernahm sie die schwache Stimme Pascals.
Ihr Herz machte einen Satz. Er war noch immer bei ihr, wenn auch ebenfalls in Ketten. Wie gerne hätte sie sich ihm zugedreht und ihm ein liebevolles Lächeln geschenkt. Aber sie konnte sich einfach nicht bewegen.
„Bella“, wiederholte er, und dieses Mal lag ein drohender Unterton in seiner Stimme.
Isabella wurde im Nacken gepackt. Blitzschnell lösten sich ihre Fesseln, und ihr Oberkörper bog sich mithilfe fremder Kräfte zurück. Alice unter ihr erwachte erschreckt, die Augen weit aufgerissen. Nackte Angst spiegelte sich darin wider. Das unkontrollierte Zittern ihrer Glieder setzte erneut ein.
Als Isabella an sich hinabsah, waren da keine Hände, die sie hielten. Sie hing in der Luft, die Arme zu den Seiten ausgestreckt, als würde man mit aller Gewalt an ihr zerren. Eine einzelne Träne rollte über ihre Wange hinab und fand ihr Ende auf Isabellas Lippen, die sich zuckend einen Spalt öffneten.
Schritte durchbrachen die Dunkelheit des Kerkers. Sie näherten sich dem Steinaltar, und als sie bereits laut in Isabellas Kopf wiederhallten, entzündeten sich auch die Kerzenleuchter an den Wänden. Das Licht kreiste die Körper der beiden Frauen ein. Sie waren der Mittelpunkt einer grotesken Szenerie.
Pierre baute sich vor ihr auf. Er hatte eine beeindruckende, respektsgebietende und unheimlich finstere Ausstrahlung. Alles, was Isabella ihm hätte entgegensetzen wollen, verblasste sogleich. Sie konnte nicht einmal seinem düsteren Blick standhalten. Nur ein klägliches Wimmern kam über ihre Lippen.
Rechts und links von ihm standen weitere Gestalten. Ruhig und in dunkle Roben gehüllt. Die Tatsache, dass sie ihm dienten, war offensichtlich.
„Ihr seid wirklich köstlich!“, säuselte Chantal, die plötzlich direkt hinter Isabella auftauchte. Die Vampirin hockte auf dem Altar und presste den Oberkörper an ihren Rücken. Sie streichelte über Isabellas ausgestreckte Arme. Dann biss sie in den Hals ihres Opfers und trank einen winzigen Schluck.
„Das meine ich wörtlich.“
Lachend sprang sie von dem Stein. In diesem Moment löste sich der unsichtbare Griff um Isabella. Ihre Arme erschlafften. Sie fiel nach vorn, konnte sich nicht mehr rechtzeitig abfangen. Alice keuchte, als Isabellas Kopf erneut auf ihrem Busen landete.
„Genug davon!“
Pierre fasste Chantal an beiden Armen und verkeilte sie hinter ihrem Rücken. Schmollend stampfte sie mit einem Fuß auf. Dieser Spielverderber gewährte ihr viel zu wenige Freiheiten.
„Lass mich sie quälen“, forderte sie.
Der Kreis der anwesenden Vampire zog sich enger um den Steinaltar zusammen. Wie dunkle Wolken, die sich aneinanderdrückten und ein Unwetter ankündigten. Die Einheit der Gestalten strahlte eine Kälte aus, die unzählbare Schauder durch Isabellas Körper schickten. Sie wartete darauf, dass etwas geschah. Irgendetwas.
Würde Chantal sie nun erneut packen und quälen?
„Du bist zu ungeduldig“, rügte Pierre seine Gespielin. Endlich ließ er wieder von ihr ab. Dieses Mal trat er selbst näher an den Altar, dicht an Isabellas Seite. Ohne sie zu berühren löste er auch ihre restlichen Fesseln und gab ihr dadurch ihre volle Bewegungsfreiheit zurück. Er befreite sie. Aber so leicht konnte es nicht sein – und diese Ahnung bestätigte sich im selben Augenblick. Die unsichtbaren Kräfte griffen erneut nach ihrem Leib. Sie trugen sie von dem Stein hinab, stellten sie auf die Füße und schoben sie mit dem Rücken an die nächste Wand.
Auch ohne Ketten war Isabella gefangen. Sie stand still und sah
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