Blutnetz
Telefonverbindung mit dem Chef des Büros in Baltimore!«, brüllte Isaac Bell, als er in die Van-Dorn-Zentrale stürmte. »Sagen Sie ihm, er soll seine Katherine-Dee-Akte hervorholen.«
Es dauerte eine Stunde, bis Baltimore zurückrief. »Bell? Entschuldigen Sie, dass ich so lange gebraucht habe. Hier regnet es mal wieder in Strömen, und die halbe Stadt ist überschwemmt. Sie werden auch noch etwas davon mitkriegen. Das Unwetter wandert mit dem Nordostwind in Ihre Richtung.«
»Ich will genau wissen, wer Katherine Dee ist, und ich will es jetzt wissen.«
»Nun, wie wir schon berichtet hatten, kehrte ihr Vater mit einer Menge Geld, das er mit dem Bau von Schulen für die Diözese verdient hatte, nach Irland zurück und nahm sie mit.«
»Das weiß ich bereits. Und als er starb, besuchte sie eine Klosterschule in der Schweiz. Welche Schule?«
»Ich gehe das Ganze gerade noch einmal durch. Die Akte liegt hier vor mir. Die Jungs haben sie auf den neuesten Stand gebracht, seit wir den letzten Bericht nach New York geschickt haben ... dieses Hin und Her zwischen hier und Dublin dauert immer so lange ... Mal sehen ... nicht zu glauben. Nein, nein, nein, das kann doch nicht sein!«
»Was?«
»Irgendein Dummkopf hat einiges durcheinandergebracht. Hier steht, die Tochter sei gestorben. Das kann aber gar nicht sein. Wir haben Aufzeichnungen über sie in der Schule gefunden. Mr Bell, ich muss das erst klären. Ich melde mich.«
»Aber umgehend«, sagte Bell und legte auf.
Archie kam herein, das Gesicht immer noch rot von der Indianerschminke. »Du siehst ja aus wie der wandelnde Tod, Isaac.«
»Wo ist Marion?«
»Oben.« Bell hatte für die Zeit, die sie sich in New York aufhielt, eine Suite für sie gemietet. »Der Regen hat unseren Drehplan schon wieder gekippt. Bist du okay? Was ist passiert?«
»Ein Priester wurde vor meinen Augen erschossen. Weil er sich mit mir unterhielt.«
»Der Spion?«
»Wer sonst? Der Block ist von einer ganzen Armee Polizisten abgesucht worden, aber er konnte sich aus dem Staub machen.«
Ein Lehrling näherte sich zaghaft den beiden finster dreinschauenden Detektiven. »Ein Bote hat dies hier am Empfang abgegeben, Mr Bell.«
Bell riss den Umschlag auf. Auf einem Bogen Briefpapier des Waldorf Astoria hatte Erhard Riker geschrieben:
ICH HAB'S GEFUNDEN!
ABSOLUTE PERFEKTION FÜR
DIE PERFEKTE BRAUT!
Ich erwarte Sie mit einem einzigartigen Smaragd gegen fünfzehn Uhr in Solomon Barlowes Juweliergeschäft, falls diese Nachricht Sie in New York erreicht.
Beste Grüße,
Erhard Riker
49
Bell warf Rikers Nachricht auf den Schreibtisch.
Archie griff nach ihr und las sie. »Der Ring für Marion?«
»Der hat Zeit.«
»Geh hin.«
»Ich warte auf Nachricht aus Baltimore.«
Archie sagte: »Gönn dir eine Stunde. Beruhige dich ein wenig. Ich rede mit Baltimore, wenn sie anrufen, bevor du zurück bist. Aber warum nimmst du Marion nicht mit? Dieser ständige Regen macht sie geradezu verrückt. Andauernd redet sie davon, nach Kalifornien zu gehen, um nur noch bei Sonnenschein zu drehen. Sie vergisst aber dazuzusagen, wo sie die nötigen Schauspieler finden will. Geh doch! Lass ein bisschen Dampf ab. Du hast Collins gefunden. Du hast zweihundert Mann darauf angesetzt, O'Shay zu suchen. Und die Navy und die Harbor Squad sind auf Torpedojagd. Ich vertrete dich hier.«
Bell stand auf. »Na gut, aber nur eine Stunde. Ich bin bald zurück.«
»Wenn ihr der Ring gefällt, dann gönn dir zusätzliche zehn Minuten und lade sie zu einem Glas Champagner ein.«
Sie fuhren mit der U-Bahn in die Stadt und gingen durch regennasse Straßen zur Maiden Lane. Barlowes Geschäft war eine Insel warmen Lichts im trüben Nachmittagsdämmer.
»Bist du ganz sicher, dass du das auch wirklich willst?«, fragte Marion, als sie auf die Ladentür zugingen.
»Was meinst du?«
»Wenn du erst mal einem Mädchen einen Ring an den Finger gesteckt hast, dann ist es ziemlich schwer, aus der Geschichte wieder herauszukommen.«
Sie hielten sich an der Hand. Bell zog sie an sich. Ihre Augen funkelten fröhlich. Regen und Dunst vergoldeten die Strähnen, die unter ihrem Hut hervorquollen. »Nicht einmal Houdini könnte sich daraus befreien«, sagte er und küsste sie auf den Mund. »Er würde es allerdings auch gar nicht wollen.«
Sie betraten das Geschäft.
Erhard Riker und Solomon Barlowe beugten sich gerade über die Theke. Beide hatten eine Juwelierlupe ins Auge geklemmt. Riker lächelte, streckte Bell die Hand
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