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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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zur Bewegung. Ich schwankte jedoch. Die Reste des Katers machten michjedesmal schwindelig, wenn ich mich bewegte, und ich fragte mich, ob ich nicht besser in der Nähe dieser großen Keramikschüssel im Bad bleiben sollte. Ich trocknete mich ab und setzte mich für einen Moment aufs Bett. Vielleicht sollte ich ins Büro gehen. Trudy hatte vielleicht eine Nachricht auf meinem Schreibtisch hinterlassen. Was hatte sie mir sagen wollen? Wenn Waffen, Fasern oder Fingerabdrücke gefunden worden wären, dann würden sie es zuerst Joe sagen, der es dann Svoboda sagen würde, was wiederum bedeuten würde, daß ich ihn anrufen könnte, aber ich glaubte nicht, daß es schon Ergebnisse gäbe. Wenn es keine Schießerei ist, in die ein Polizist verwickelt ist, dann wird ein Fall nach dem anderen behandelt. Es kann Wochen dauern, bis man etwas zurückbekommt.
    Ich schluckte ein Aspirin und Kaffee aus der Mikrowelle während ich die Post der letzten zwei Tage durchging. Die Krankenhausrechnung war in einem blaßgelben Umschlag. Darum konnte ich mich jetzt nicht kümmern. Außerdem eine Aboverlängerung für eine Zeitschrift, zwei kostenlose Zeitungen, noch mehr Mist, und die komischen Zeichen meines Bruders auf einem billigen Briefumschlag, der nicht klebte. Ich wollte seinen Brief nicht lesen, aber ich öffnete ihn dennoch halb. Mein Bruder ist eine Nervensäge: Ich hätte nicht genug Kontakt zu den Eltern. Sie würden sich Sorgen machen. Ein Telefonanruf im Monat würde niemandem schaden. Aber er ist elf Jahre älter als ich und hat eine andere Beziehung zu ihnen. Wir hätten auch gut verschiedene Eltern haben können, und eines Tages wäre Nathan an meinen Tisch im Restaurant gekommen und hätte gesagt: >Hi, ich bin Nathan Montiel und nur so zum Spaß, bin ich ab jetzt dein Bruder.<
    Seinen Lebensunterhalt verdient er mit so etwas Undurchsichtigem wie Spielgeld, in Cherry Hill, New Jersey. Er unterhält mehr Ex-Frauen als ich es nachvollziehen kann, zusätzlich zu der aktuellen zukünftigen Ex-Frau. Sie erinnert mich an Lily Tomlin, aber sie ist nicht so witzig. Ihr Reiz ist, daß sie in die Gemeinschaft ein geerbtes und lukratives Baugewerbe mitbringt. Man könnte meinen, daß er mir keine handgeschriebenen Briefe mehr schickt, bei all seinem Geld, aber ich glaube, er denkt, daß ich sie eher lese, wenn sie seine unvergleichliche Handschrift tragen. Dieser fing an mit »Sammi« — ohne »Liebe« — »Ich bin am 23. Dezember in Kalifornien. Wir können etwas zusammen unternehmen.« Nicht etwa »Würdest Du gerne etwas mit mir zusammen unternehmen?« oder »Hättest Du Zeit etwas mit mir zu unternehmen, und wie geht es Dir eigentlich?« Ich drehte den Brief um und sagte mir, ich würde ihn später lesen.
    Ich wollte eigentlich nicht ins Büro gehen, aber ich war unruhig. Reiß dich zusammen, sagte ich mir, und genau da entschied mein Kopf, daß er sich nach einem Kissen sehnte. Das blaßgrüne auf der Couch sah gut aus. Als ich so da lag, entschloß ich mich, für einen Moment an etwas anderes zu denken, an nichts Schlechtes. Das hielt ungefähr zwei Sekunden an.
    Ich stand wieder auf, öffnete die Vorhänge und machte die Glastüren auf. Als ich über die Bucht schaute, versuchte ich mir in Erinnerung zu rufen, daß es dort draußen eine andere Welt gab, auch nicht ohne menschliche Konflikte, sicherlich, aber wenigstens auf ruhige Weise unbemerkt, obgleich es Betrüger und Diebe auch unter Vögeln gibt- Stare, die ihre Eier in andere Nester legen und so Ersatzeltern erzwingen.
    Die Sonne warf ein gleichmäßig gelbes Licht auf alles und so schienen alle Dinge ineinander überzugehen. Das kleine Thermometer, das ich am Fensterrahmen befestigt hatte, zeigte schon über zwanzig Grad an. Ich griff hinter einen Sessel nach meinem Fernglas, das auf dem Boden lag, ging dann auf den Balkon, mein großes, rotes Badetuch immer noch um mich geschlungen.
    Ich setzte mich auf den buntbemalten Stuhl, den ich immer draußen lasse und schaute über die Bucht. An manchen Tagen sieht man zwei Meter hohe Wellen vom Pazifik kommen, und ein paar Stunden später ist fast nichts mehr davon übrig außer quadratkilometerweise Matsch und Sumpfland. Durch das Fernglas beobachtete ich die Strandvögel, die das matschige Strandgut mit ihren sensenförmigen Schnäbeln probierten.
    Alle paar Minuten fliegt ein Benzinfalke durch das Blau des Himmels. So nennen die Umweltfritzen Flugzeuge. Aufgrund der Lärmbestimmungen müssen die Piloten mit

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