Blutorangen
sie die Bombe platzen. Sie sagte: »Einer der Männer, die du gestern im Gefängnis gesehen hast, die Brüder, beides Schwerverbrecher?«
»Ja?«
»Einer von ihnen ist Taucher. Ein Tiefseetaucher in L. A.«
Ich brauchte einen Moment, um es zu kapieren. Ich dachte, die Dugdales wären irrelevant. Der kleinere von beiden war Maler. Aber der andere, was war der? Hatte er es gesagt? Hatte ich es nicht gehört? Wir waren später erst dazugekommen. Die beiden Brüder waren schon einige Zeit im Gefängnis gewesen, bevor wir dort hinkamen und wir waren nur eine halbe Stunde dort. Deshalb hatte ich nicht mitbekommen, wie der große, gutaussehende sein Geld verdiente, wenn er keine kleinen Raubüberfälle machte. Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Ich fragte mich, ob Gary, auch wenn er etwas eingeschnappt war, eine Fotoreihe zu Emilios Tacostand mitnehmen würde, in die Bilder der Dugdales hineingemischt waren. Man nimmt ungefähr sechs Bilder von Leuten, die so ähnlich aussehen und zeigt sie dem Zeugen, damit der Zeuge nicht Hunderte von Bildern durchblättern muß, um den Täter zu identifizieren. Die Fotoreihe ist nicht sehr verläßlich, aber sie scheint die Jury zu überzeugen. Auch wenn es so ist, wollte ich, daß Gary oder die Kriminalpolizei es trotzdem bei Emilio versucht, abgesehen davon, daß diese Prozedur vielleicht dazu führen würde, daß er in die Hosen macht. Armer, kleiner Kerl.
»Trudy«, sagte ich. »Willst du mit mir frühstücken? Es gibt einen schönen Ort in Balboa. Wo wohnst du? Mein Kopf braucht Kaffee, mein Magen Haferschleim.« Es wäre eine Möglichkeit, sie näher kennenzulernen und weiter über den Fall zu reden.
Ihre Stimme fiel und sie sagte mir, daß sie in Justin lebt und daß sie gerne käme, aber bis sie in Newport wäre, nachdem ihre Waschmaschine fertig gelaufen war, wäre es sehr spät. Ich weiß nicht, ob sie das erfand, aber es schien eine plausible Erklärung zu sein. »Ein anderes Mal dann«, sagte ich, und sie sagte: »Klar.« Aber ich wollte etwas tun. Aus dem Haus gehen. Frische Luft schnappen. Wenn Joe L. Sanders nur nicht verheiratet wäre, dann könnte ich ihn anrufen und wir könnten diese neue Information diskutieren. Wir könnten mit Mr. Dwyer reden. Wir könnten hören, was Gary Svoboda über diese Zwinge zu sagen hatte. Wir könnten sogar zum Hafen von Los Angeles fahren, wo die Schiffe reinkommen. Wo sich die Tiefseetaucher herumtreiben.
Wir könnten uns umsehen.
Nein, ich fuhr nicht hin. Nicht zu dem Zeitpunkt. Bis ich gegessen und getankt hatte, die Rechnungen durchgesehen und meinen Eltern lieblos einen Brief geschrieben hatte, in dem stand, daß es mir gut ging, und nichts Neues passiert war, hatte ich Zeit, mein Gleichgewicht wiederzufinden. Trudy hatte mich daran erinnert, daß auch ich Wäsche waschen mußte. Pflichten helfen. Ich faltete gerade die Wäsche auf meinem Bett, als um zwei Uhr das Telefon klingelte. Es war Patricia. Ich schob die Wäsche zur Seite und legte mich hin.
»Hast du gut geschlafen?« fragte sie mich. »Ich hatte Angst, früher anzurufen.« Ihre Stimme klang zögerlich, so, als ob sie glaubte, daß ich wütend auf sie sei.
Ich sagte: »Ich habe mich gestern wie ein Idiot benommen. Total dämlich.«
Sie sagte verständnisvoll: »Nicht nur du.«
»Oh, ja? Dieser böse Junge, Raymond. Was habe ich bloß getan? Du zusammen mit meinem Kumpel.«
»Wir sind nicht bis zu dem Punkt gekommen, an den du jetzt denkst, aber schon nahe genug heran. Ich denke, er wird bei mir anrufen.«
»Erinnerst du dich — «
»Er hat eine Freundin, ja. Das sagte er mir. Sie kommen nicht so gut miteinander aus. Aber hör’ zu, es gibt zwei Dinge, die ich mit dir besprechen möchte, Samantha. Zuerst einmal bin ich beleidigt.«
»Das tut mir leid. Was habe ich getan?«
»Warum hast du mir nicht gesagt, daß du mal eine ... Tänzerin warst? Dachtest du, ich halte jetzt weniger von dir?«
»Ach, das. Das ist schon lange her. Es war eigentlich nichts. Ich lebte in Nevada. Es war damals okay.«
»Du schämst dich deswegen.«
»Wenn ich mich deswegen schämen würde, würde ich mich dann so nennen lassen?«
»Du schämst dich nicht, aber mir konntest du es nicht sagen.«
»Es macht mir nichts aus, ich teile es den Leuten, die es nicht wissen, nur nicht mit. Die Leute im Labor wissen es, weil ich es an einem Abend mal gesagt habe als ich zuviel getrunken hatte. Das kannst du doch verstehen, oder nicht? Hattest du keine wilde Phase als du jünger
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