Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
Stück, sondern wanden sich schlimmer als ein Darm durch den Leib eines Schweins.
An einer besonders niedrigen Stelle, an der das Licht den Engpass vollständig erhellte, entdeckte der Herzog einige tief in der Wand verborgene Schneckenhäuser. Vorsichtig strich er darüber, denn ihre Windungen waren nur undeutlich zu erkennen. Noch ehe er sich den Kopf darüber zerbrechen konnte, wie die Schalen dorthin gelangt sein mochten, verkündete ein fernes Licht das Ende seines Weges.
Von nun an weitete sich der Gang immer mehr, bis er nahtlos in einen hohen Saal überging, dessen wahre Ausmaße in der Finsternis verborgen blieben. Nur der laute Hall seiner Schritte ließ die Entfernung einigermaßen erahnen. Allerdings schien ihm das Echo einen gehörigen Streich zu spielen, denn ihm zufolge hätte der Raum viel größer sein müssen, als es die äußeren Abmessungen der Festung überhaupt zuließen.
So dunkel die über allem lastende Finsternis auch war, so hell hob sich der schräg einfallende Glanz ab, der den Saal in seiner Mitte zerteilte. Innerhalb der scharf umrissenen Lichtinsel stand ein massiver Thron aus aneinandergefügten Marmorblöcken, auf dem, den Rücken leicht gekrümmt, der Mann saß, der über ganz Sangor und ein Dutzend weiterer Königreiche herrschte.
Gothar der Tyrann.
Sein von zahllosen kleinen und großen Falten zerfurchtes Gesicht sah eher traurig denn machtbesessen aus. Trotzdem näherte sich der Herzog in unterwürfiger Haltung. In all den Wintern, die seit dem Sieg über Sangor verstrichen waren, hatte er den neuen Herrscher niemals schreiend oder aufbrausend erlebt. Trotzdem spürte er die Macht, die Gothar innewohnte, mit jeder Faser seines Leibes.
Der König war kein gewöhnlicher Sterblicher. Jeder, der über zwei gesunde Augen verfügte, konnte das deutlich sehen. Sein Feldzug an die Spitze der Macht währte nun schon seit Generationen, trotzdem hatte er den sehnigen Körper eines Mittfünfzigers. Lediglich sein Gesicht und die knorrigen, wie aus verwittertem Holz geschnitzten
Hände ließen erahnen, dass sein wahres Alter dem eines uralten Greises entsprach.
Sein strohblondes Haar stand noch in voller Pracht und wellte sich glänzend bis zu den Schultern. Auf seinem Kopf saß eine ungewöhnlich geformte Krone, kunstvoll angefertigt aus fünf miteinander verschlungenen Silbersträngen. Der erste von ihnen lief in einer dreifachen Windung um das königliche Haupt, die anderen vier wölbten sich über diesen tragenden Reif, um sich dann an der Stirn wie auch im Nacken um den ersten Strang zu schlingen. An der Vorderseite spalteten sich die Enden der vier Stränge zu geöffneten Mäulern, die oberhalb des Stirnreifs wie die Strahlen einer Sonne abstanden. Im Nacken bot sich das gleiche Bild, nur dass die Stränge dort in geschlossenen Enden ausliefen.
Böse Zungen bezeichneten diese Kopfbedeckung gern als Schlangenkrone, dabei verkörperten diese vier Stränge keine giftigen Reptilien, sondern die vier großen Winde: Ito, Gisar, Sibu und Odaar. Diese vier waren es, die den Himmel mit ihrem Atem erfüllten. Der gewundene Strang jedoch, der die anderen vier zusammenhielt, stand für den mächtigsten von allen: Styr, den großen Wirbel, der auch die Schwebende Festung auf seinen Schultern trug. Einzig und allein der König verstand es, über Styr zu gebieten.
»Tritt zu mir ins Licht, Herzog.« Gothar winkte mit zwei Fingern seiner rechten Hand, bevor er das Frostbärenfell, das über seinen Schultern lag, vor der Brust zusammenraffte. »Es gibt für dich keinen Grund zur Furcht. Du bist ein starker Arm, der meinen Willen erfüllt.«
War es wirklich möglich, dass der mächtige König in seinem eigenen Thronsaal fror? Herzog Garske erschien dieser Gedanke viel zu ketzerisch, um ihn weiterzuverfolgen. Rasch trat er ins Helle und verbeugte sich erneut.
Das ihn umschließende Licht, das ihn die ganze Zeit begleitet hatte, verblasste. Oder erlosch ganz. Er konnte es nicht genau erkennen.
»Ihr habt nach mir verlangt, Herr«, dienerte er auf die gleiche Weise, wie er sie den eigenen Untergebenen abverlangte. Zum Glück
gab es hier oben keine lästigen Zeugen, die darüber tratschen konnten. Nur König Gothar und ihn. Und einen hellen Umriss, der sich knapp außerhalb des Lichthofs abzeichnete.
Das war er, der Maar.
Der Maar persönlich.
Abgesehen von der etwas feiner ausgearbeiteten Silbermaske, die mit zusätzlichen Schnörkeln und Ziselierungen versehen war, unterschied er sich kaum
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