Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
erwartet. Ängstlich wichen sie zurück, hastig darum bemüht, möglichst viel Abstand zwischen sich und Urok zu bringen. Auch wenn sie sich zusammenrotteten, weil die Gemeinschaft trügerischen Schutz versprach, keiner von ihnen wagte es, seine Hacke, Sichel oder anderes Arbeitsgerät oder gar ein mitgeführtes Schwert drohend zu erheben. Das war auch gut so, denn ein Angriff wäre ihnen schlecht bekommen.
Während viele ihr Heil in der Flucht suchten, weil sie das Nachrücken einer ganzen Schar befürchteten, wagten es nur die Mutigsten unter ihnen – die am meisten von Neugier Getriebenen oder vielleicht einfach nur die Dümmsten -, ihm in großem Abstand zu folgen. Denn sein Ziel war klar. Seit er die letzten Hügel von Arakia hinter sich gelassen hatte, strebte er in gerader Linie auf Arnurs Wehrhof zu.
Seit der Nacht auf Felsnest waren drei Tage vergangen. Genügend Zeit, um das Trugbild, das er erlebt hatte, verblassen zu lassen. Was auch immer Urok dort oben gesehen hatte, seine überreizten Sinne mussten es ihm unter dem Einfluss des berauschenden Suds vorgegaukelt haben. Das Blut der Erde hatte ihm schon die Feuerhand gesandt, es war einfach anmaßend von ihm gewesen, noch weitere Erleuchtung zu erwarten.
Sein anschließender Abstieg war eine wahre Flucht gewesen, doch die körperliche Anstrengung hatte das Gift aus ihm herausgepumpt.
Klaren Geistes hatte er sich dafür entschieden, die Schwarze Marsch zu umgehen, um schneller ans Ziel zu gelangen. Nur noch Ragmars Vermächtnis erfüllen, dann lagen alle Pflichten hinter ihm, dann war er endlich frei und konnte gehen, wohin er wollte.
Je näher er dem Wehrhof kam, desto besser verstand Urok, dass es den jungen Zeichner in die Ferne gezogen hatte. Das hinter einer hohen Palisade versteckte Anwesen lag inmitten eines flachen, weithin einsehbaren Landstrichs. Zur Ernte hin mochten die umliegenden, mit Getreide und Erdfrüchten bepflanzten Felder dem Auge noch ein wenig Abwechslung bieten, derzeit wirkte jedoch alles trist und leer. Der nächste Wald lag einen halben Tagesmarsch entfernt. Aus der Sicht eines nach Sicherheit gierenden Bauern mochte das als Vorteil erscheinen, Urok als Ork grauste es jedoch bei dem Gedanken, in dieser Öde leben zu müssen. Eine Ahnung allmählichen Niedergangs hing schwermütig über der Landschaft.
Drüben im Wehrhof erklang ein dumpfer, durchdringender Ton, der nach einem Stoß in ein Tierhorn klang. Der Späher im Ausguck hatte sich also doch noch dazu entschlossen, Alarm zu geben.
Zufrieden straffte sich Urok und warf sich in die Brust. Er war schon ein wenig enttäuscht gewesen.
Ansonsten änderte sich nicht viel. Das Tor blieb weiterhin geöffnet. Die Knechte und Mägde auf den Feldern sollten schließlich nicht zusammen mit ihm ausgesperrt werden. Ein paar Kinder, die bisher neugierig herübergesehen hatten, folgten dem Ruf des Horns und rannten über die hölzerne Fallbrücke ins Innere.
Der sandige Platz, auf dem sie gespielt hatten, wies keinen einzigen grünen Halm auf, obwohl das satte Gras ringsum kniehoch wucherte. Arnurs Wehrhof musste über ungewöhnlich viele Pferde verfügen, anders ließ sich die stark zertrampelte Fläche vor dem Haupttor nicht erklären.
Für ein, zwei Atemzüge glaubte Urok eine Spur von Lindwurmdung zwischen all dem Menschenschweiß zu wittern, doch die großen Schuppentiere überquerten nur selten die Berge, um in diese unwirtliche Gegend zu gelangen. Ein über dem Tor auf einen Pfahl
genagelter Schädel lenkte ihn allerdings von diesem Gedanken ab. Was er bisher für eine ganz normale Jagdtrophäe gehalten hatte, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als bleicher, von Sonne, Wind und Regen verwitterter Totenkopf eines Orkbruders.
Urok blieb abrupt stehen.
Seine großen Hände zuckten, doch er unterdrückte den Impuls, nach der Axt zu langen. Was dort oben thronte, musste noch ein Relikt aus Grimmsteins Zeiten sein, als die Könige von Cabras geglaubt hatten, die Kopfjagd auf Orks eröffnen zu können. Eine Idee, die ihnen und ihrem ganzen Reich schlecht bekommen war. Der Schädel dort oben bewies aber auch, dass Arnur nur selten von Kriegern besucht wurde. Elfenfresser oder irgendein anderer hätten sicherlich nicht gezögert, umgehend den ganzen Wehrhof niederzumachen.
Doch Urok konnte nicht so handeln. Er hatte eine Ehrenpflicht zu erfüllen.
»Was willst du hier?«
Urok hatte bereits aus den Augenwinkeln bemerkt, dass sich ihm einer der Wehrbauern furchtlos von der
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