Blutportale
erwiderte er rasch. »Ich erkenne es. Aber es ist mehr ein Gefühl ... eine Intuition.« »Das ist doch mal ein guter Anfang!« Saskia lachte gelöst. Sie lachte zum ersten Mal richtig befreit und ehrlich. Ihr warmer Atem streifte ihn, und Will lächelte. »Welcher Gott ist bei euch Indern für Glück zuständig?« Sie betrachtete den See.
»Für mich ist es eindeutig Ganeesha. Er kennt mich am besten, weil ich oft zu ihm bete«, gab er zurück.
»Schön, wenn man an etwas so glauben kann.« Sie richtete sich wieder auf. »Ich wollte dich schon immer etwas fragen: Woher kommt eigentlich der Vorname Will? Ist das auch etwas Indisches?«
»Nein. Es ist das Kürzel von Wilhelm. Eigentlich heiße ich Wilhelm Shiva Arihant Gul. Meine Mutter wollte mindestens einen deutschen Namen für mich haben, Shiva und Arihant suchte mein Vater aus.«
»Shiva ... das ist auch eine Göttin des Todes?« Saskia sah fröstelnd die Statue im großen Wohnzimmer der Villa vor sich.
»Nein, das ist Kali, und die Todesgöttin ist nur ein Aspekt von ihr. Shiva ist ein Mann und gilt als der Gütige, der Herr der Schöpfung und des Neubeginns. Die Gläubigen, die ihn als höchsten Gott verehren, sehen ihn als allgewaltigen Herrscher der Welt. Und er vereint die Aspekte aller anderen Götter in sich. Durch seinen Tanz symbolisiert er den Kreislauf der Zeiten, aber auch den rasenden Tanz der Zerstörung und der Schöpfung. Mein Vater verehrte ihn.« Will lächelte sie an; es gefiel ihm gut, sie an einem Teil seines Glaubens teilhaben zu lassen. »Kali ist übrigens seine Frau.« Auf einmal machte sich sein Magen mit deutlichem Grummeln bemerkbar, gleichzeitig musste er ein Gähnen unterdrücken. »Ich weiß gar nicht, was ich zuerst tun soll, schlafen oder essen.«
Saskia zeigte auf den kleinen Tisch. »Der Professor hat vorgesorgt - da liegen Prospekte von einem Pizzaservice.«
»Gute Idee! Ich nehme Schinken und doppelt Käse. Kein Rind.«
Sie lachte, und ihm wurde warm ums Herz. »Sehr gerne. Und den passenden Wein dazu?«, imitierte sie die Stimme eines beflissenen Kellners und ging dann zum Badezimmer, um Justine nach ihren Wünschen zu fragen. »Ich suche noch ein bisschen weiter«, sagte Will mehr zu sich selbst als zu ihr. »Vielleicht finde ich mehr über das Kloster heraus. Und die anderen Orte aus meiner Vision.«
Justine stand unter der Dusche und genoss diesen Luxus, auf den sie so lange hatte verzichten müssen. Der Duschkopf war so geformt, dass die Wassertropfen weich und sanft wie bei einem Sommerregen auf sie niedergingen. Weißer, duftender Schaum glitt über ihre Haut und umtanzte ihre Füße. Sie schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und genoss das Gefühl.
Ich bin der Hölle entkommen! Es war ein wunderbarer Triumph, doch gleichzeitig brachte er all die Bilder zurück, die sich in ihren Verstand eingebrannt hatten, und die Erinnerung an die Schmerzen, die ihren Leib durchzuckten und nicht nur von der Folter stammten, sondern auch von dem, was man ihrem Geist angetan hatte. Justine öffnete den Mund und ließ Wasser hineinlaufen, spülte ihn aus und hoffte, den ranzigen Geschmack so endlich loszuwerden. Aber sie wusste, dass das nicht so einfach war; sie hatte ein Stück ihrer ganz persönlichen Hölle mit sich genommen. Alles, was sie dort erlebt hatte, war widerlich gewesen - und nicht mit dem Wesen vereinbart gewesen, dessen Zeichen sie trug. Justine seufzte gequält. Faustitia hatte sie vor dem Handel gewarnt, hatte sie angefleht, den Tod zu akzeptieren, wenn er unausweichlich war. Und natürlich hatte Justine ihr dies versprochen. Aber dann lag sie da, von Silberkugeln regelrecht durchsiebt, in diesem brennenden Haus - und sie, die sich so viel auf ihre Tapferkeit einbildete, hatte nicht den Mut gehabt, der Verlockung zu widerstehen. Dafür hatte sie dem Fürsten, dem sie sich ausgeliefert hatte, einen hohen Preis bezahlt. Doch er hatte sie getäuscht, und deswegen hatte der Pakt keinen Bestand. Ihre Flucht war gerechtfertigt gewesen; allerdings würde sie nicht noch einmal mit einer Rettung vor dem Tod rechnen können. Und wenn er sie jemals zu fassen bekam, würde seine Rache an ihr unvorstellbar sein.
Kaum dachte sie an ihn, brannte das Mal, mit dem er sie gezeichnet hatte, feurig auf. Saskia fluchte und starrte auf die Zeichnung, die sie an den Dämon band.
Die Umrisse leuchteten, und Justine meinte fast, seine Stimme zu hören: Du bist aus meinem Reich entkommen, aber nicht mir. Ihre makellose
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