Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
befreien!
    Geistesgegenwärtig trat sie ihm gegen den Kopf, der nach hinten schnappte und brutal auf den Steinboden prallte. Dann entwand sie den kraftlosen Fingern den Schwertgriff, erhob sich rasch, machte zwei Schritte zurück und richtete die blutverschmierte Klinge auf den Mann. »Er müsste ohnmächtig sein nach dem Tritt!«, rief Justine aus dem Hintergrund. »Will, weg von ihm!«
    Der Russe hatte sich bereits aufgerichtet und hielt sich keuchend auf den Knien, allerdings ohne Will, der direkt neben ihm stand, zu beachten. Langsam hob er den rechten Arm und streckte bittend die Hand nach dem Schwert aus; dabei murmelte er ununterbrochen.
    Will starrte den Mann an: Dass sein Verstand Opfer des Wahnsinns geworden war, erkannte selbst ein Laie. Die Pupillen hatten alle Farbe an den Rand gedrängt. Er rutschte auf Saskia zu und versuchte, die Spitze des Schwertes zu greifen. Sein Gerede wurde lauter und wütender. »Los, verschwinden wir!«, rief Justine von der Tür. »Wir haben, was wir suchen.« Saskia zögerte, denn das Schwert hatte sie in ihren Bann geschlagen, schon bei der ersten Berührung. Niemals zuvor hatte sie eine solche Waffe gehalten. Sie war unerwartet schwer, jedoch perfekt ausbalanciert, eine durchgehende Klinge, auf die Korb und Parierstange aufgesetzt worden waren. Kein Stahl, kein Eisen und ganz sicher kein anderes Metall. Aber was war es dann? Elfenbein? Glaskeramik? Geschliffenes Horn? Sie entdeckte Scharten auf beiden Seiten der Klinge. Die Silbereinlagen weckten ihre Neugier. Sie fuhr sachte darüber und achtete weder auf das Blut, noch vernahm sie Wills warnenden Ruf. Saskia hatte den Eindruck, dass man die Einlagen leicht verwischen konnte und sie danach wieder in die ursprüngliche Form zurückglitten, wie Quecksilber oder flüssiger Lötzinn. In ihren Fingerkuppen prickelte es.
    »Macht endlich!«, hörte sie Justine wie durch eine dicke Schicht Watte rufen.
    Will wartete nicht länger; er rannte los, packte Saskia fest am Oberarm und zerrte sie, die immer noch voller Verzückung das Schwert anstarrte, hinter sich her.
    Der Handwerker schrie auf, gebärdete sich wie toll, heulte und tobte. Die Lautstärke steigerte sich immer mehr, bis er wie ein Tier klang - ein Tier, in dessen Nähe man auf keinen Fall bleiben durfte.
    Sie rannten durch den Gang zurück. Unterwegs schnitt Saskia ein Stück Abdeckplane von einem Gerüst ab und schlug das Schwert darin ein.
    »Ich will gar nicht wissen, wie es in den übrigen Räumen des Klosters aussieht«, meinte Will, während sie über den Hof eilten. Justine lenkte sie zu einem der Transporter. Der Schlüssel steckte. »Das war einfacher, als ich dachte«, sagte sie und gab Gas.
    »Das würde ich nicht so sehen«, entgegnete Saskia und griff sich an die Stirn; sie hatte Kopfschmerzen, die sie auf die merkwürdige Anziehung zurückführte, die das Schwert auf sie ausübte. »Und außerdem ist die Frist, innerhalb derer wir die Artefakte finden sollten, schon beinahe zur Hälfte verstrichen.«
    Sie schössen über die verschneite Straße.
    »Waren das Handwerker oder Dämonendiener?«, fragte Will erneut und schaute auf die Plane, unter der sich das erste Artefakt verbarg. Wieder hatte es das Blut derer gefordert, die sich in seiner Umgebung aufhielten. »Was denkt ihr, wer die Toten waren?«
    »Mir egal«, sagte Justine. »Sie sind uns nicht in die Quere gekommen. Besser konnte es nicht laufen.«
    »Wann wirst du endlich aufhören, so zynisch zu sein?«, fragte Will sie wütend. »Wenn du nicht mehr so naiv bist«, konterte Justine ungerührt. »Die Zeiten sind vorbei, in denen es deine größte Sorge war, ob du einen aufgeregten Kunden mit einer Extrarose beschwichtigen kannst oder nicht. Jeder, dem du begegnest, kann der sein, der dich töten wird!« Saskia teilte ihre Einschätzung nicht, schwieg jedoch. Sie meinte ein Kribbeln zu spüren, das vom Schwert ausging, als stünde es unter Spannung und suche einen Kontakt, um sich zu entladen. Wollte es sich mit ihrer Gabe kurzschließen? Sie achtete darauf, dass die Plane nichts unbedeckt ließ, und vermied jeden weiteren direkten Kontakt. »Wohin müssen wir, Will?« Er hatte befürchtet, dass diese Frage kam. »Noch habe ich keine genauen Hinweise auf unser nächstes Ziel. Erst mal zum Boot.«
    Neben dem Transporter setzte ein Wagen zum Überholen an.
     
11. November
Russland, Posolsk, südöstlicher Baikalsee 
    Demetrios bekam eine Leselampe vom Arbeitstisch zu packen und schlug nach dem Mann.

Weitere Kostenlose Bücher