Blutportale
Eigentlich hätte der von unten geführte Hieb am Kinn enden sollen, doch der schwere Metallfuß blieb an der Mündung der Pistole hängen und schlug dem Unbekannten die Waffe aus der Hand.
Das Schießen endete, auch der Druck auf die Tür verschwand, und dann erklang der Sturz eines Körpers. Als Demetrios die Tür vorsichtig öffnete, lag sein Bewacher tot am Boden. Ein Querschläger hatte ihn unterhalb der Kehle getroffen!
»Danke, Herr«, murmelte der Mönch, sprang zum Arbeitstisch, zog das Buch aus dem Stapel hervor und rannte hinaus in den Gang.
Er wusste, dass es nicht damit getan war, die Informationen in Sicherheit zu bringen; seine Angst hatte ihn bereits dazu gebracht, den Unbekannten das richtige Kloster zu nennen. Er musste die Brüder dort warnen und das artefactum sichern!
Hastig kletterte er aus einem der Fenster, hetzte im Schutz der Gebäude zum Tor und rannte hinaus auf die Straße. Als er vor den Mauern des Klosters stand, erklang ein gedämpfter Knall. Und noch einer. Und noch einer. Nicht laut, doch deutlich wahrnehmbar. Er wusste, was das zu bedeuten hatte. Demetrios rannte über den verschneiten Gehweg hinaus zur Straße und brachte den nächstbesten Wagen zum Stehen.
Er sprang hinein und beschrieb der hilfsbereiten Fahrerin keuchend den Weg zum Mutterkloster. Sie lieh ihm sogar ihr Handy, mit dem er die Polizei informierte, dass Terroristen ins Kloster eingedrungen seien und die Mitbrüder als Geiseln hielten.
Demetrios war aufgewühlt. Er betete, dass niemand mehr zu Schaden kam, und befahl die Seelen der Toten in die Hand Gottes. Während die Fahrerin immer mehr Gas gab, blätterte er in dem Buch hin und her, bis er die richtige Seite wiedergefunden hatte, und überflog die Stelle. Geschaffen aus dem Körper eines Teufels, gemacht von einem Wahnsinnigen. Seine Bosheit ist derlei, dass die Gesunden und Ungewappneten schon durch seine Nähe ihren Verstand verlieren oder dem grundlosen Hass verfallen. Wen die Schneide trifft, muss einen grausamen Tod erleiden, vor dem es keine Rettung gibt. Das artefactum wird einen Teufel auf Erden holen, und zu zerstören ist es mit nichts. Was immer ihr versuchen werdet, es bringt Unheil über euch und alles um euch herum. Bewahrt es vor dem Zugriff des Bösen!
Schon nach wenigen Minuten rauschten Polizeiautos mit Blaulicht an ihnen vorbei in Richtung Posolsk. Schneematsch prasselte gegen ihren Wagen, und Demetrios faltete die Hände und schloss die Augen, um neue Gebete für seine Brüder zu sprechen.
Es dauerte nicht lange, und das Mutterkloster kam in Sicht. Auch hier waren Renovierungsarbeiten im Gang; die Klöster der Region waren allesamt in beklagenswertem Zustand. Sie hielten auf die Gebäude zu, als plötzlich ein Lieferwagen aus dem Tor schoss, in dem Demetrios zwei Frauen und einen Mann erkannte.
Sie fuhren knapp an ihnen vorbei... und Demetrios fühlte die Macht des artefactum: Eine Welle der Abneigung, des Hasses gegen die Menschen in diesem Auto überrollte ihn. »Hinterher«, befahl er der Frau. »Dem Transporter hinterher, bitte! Die Leute darin haben etwas, was ... was das Kloster nicht verlassen darf!«
Sie tat, was er verlangte, und Demetrios dankte dem Herrn, dass er ihm ein so freundliches Christenkind gesandt hatte. Doch dann sah er, dass sich ihr Gesichtsausdruck verändert hatte; sein Glauben gab ihm den nötigen Widerstand gegen die teuflische Aura, sie dagegen war ihr schutzlos ausgeliefert.
Der Transporter fuhr sehr schnell, zu schnell für die winterlichen Straßenverhältnisse und für die glatte Uferstraße. Demetrios fragte sich, wer diese drei Menschen waren. Sie gehörten offenbar nicht zu den Terroristen, aber was war ihre Motivation? Er hatte keine Ahnung, wie er sie dazu bringen sollte, ihm das artefactum zu übergeben; was, wenn auch sie bewaffnet waren? Er musste handeln. Sofort!
»Überholen Sie den Transporter«, sagte er zu der Fahrerin. »Ich muss ihnen mit Handzeichen klarmachen, dass sie anhalten sollen.«
Die Fahrerin trat aufs Gas.
Als sie sich auf gleicher Höhe befanden, schickte Demetrios ein Stoßgebet zum Himmel - dann griff er ins Lenkrad und riss es herum! Der Wagen rammte den Transporter und schob ihn von der Straße auf die abschüssige Böschung zu.
11. November
Russland, südöstlicher Baikalsee
»Ein todesmutiger Mönch«, meinte Justine schmunzelnd nach einem Blick in den Außenspiegel. »Er scheint es eilig zu haben.« Dann fluchte sie, gleich darauf krachte es, und der
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