Blutportale
hatte ihn vor seinem Gegner gewarnt, besser gesagt, vor den Fertigkeiten des Mannes, dessen Ursprünge sie erst näher ergründen wollten, bevor er ihm gegenübertrat.
Smolska schleuderte seine Attrappe davon - und musste sich so auf die überschnellen Bewegungen seines Gegenübers konzentrieren, dass er unwillentlich verstummte. Kalte Wut überfiel ihn. Diesen Einbruch in seine Domäne, noch dazu mitten in seinem Stück, würde er nicht verzeihen! Das Orchester spielte weiter, um dem Sänger die Möglichkeit zu geben, den Part wieder aufzunehmen; der Souffleur fuchtelte aufgeregt mit den Armen und pochte gegen das Skript. Die Statisten sahen erstaunt zu Smolska hinüber, und im Zuschauerraum begann das Tuscheln. Bühnentricks und Kämpfe waren schön und gut, wenn die Qualität des Gesangs nicht darunter litt - und ganz abbrechen durfte er erst recht nicht!
»Hochverehrtes Publikum«, sagte Smolska laut in den Zuschauerraum und zeigte auf seinen Gegner, »wir bieten Ihnen ein kleines, eigens für den heutigen Abend einstudiertes Duell, zu Ehren der fünfundzwanzigsten Aufführung in diesem Theater. Behalten Sie Platz, verehrte Herrschaften, und genießen Sie, wie Sussanin seinen Herausforderer tötet.« Er blitzte seinen Feind an und grüßte. Der Mann tat es ihm nach, dann griff er an.
Die Attacken, gegen die sich Smolska zur Wehr setzen musste, wichen natürlich von den üblichen Säbelbühnenfuchteleien ab. Er erkannte die klassischen Manöver einer Parade Riposte, eines Klingenschlags oder einer Fleche, des Laufangriffs. Es handelte sich hier um einen Meister des Fechtens. Smolska schwitzte.
»Das Komitee mag es nicht, wenn Vereinbarungen einseitig und ohne Absprache gebrochen werden«, sagte sein Gegner leise und doch verständlich. Er sprang unvermittelt vor, täuschte mehrere Angriffe an, bis er - den rechten Arm ausgestreckt und mit der Spitze auf Smolskas linke Schulter zielend - sprang. »Übrigens: Ich auch nicht!«
»Sie handeln nicht mit Wissen des Komitees!« Smolskas Parade war zu schwach und richtete nichts gegen die brachiale Wucht des anderen aus, die nicht allein von körperlicher Kraft herrühren konnte. Gleich darauf brannte es in seinem Gelenk, als der dünne Stahl durch sein Fleisch in den Knochen fuhr und stecken blieb. Sofort darauf hörte er das lauteste Geräusch, das er bislang in seinem Leben vernommen hatte: seinen eigenen Schrei.
Viele der Kristallleuchten an der Decke barsten durch den Schall, die glitzernden Splitter regneten klirrend auf die Besucher herab. Erschrocken sprangen viele Zuhörer auf; und das Orchester brach das Stück ab. Jemand im Saal rief nach dem Sicherheitsdienst. Die Starre war gebrochen. Die ersten Schauspieler wollten Smolska zu Hilfe kommen und sich zwischen die Kämpfenden werfen. »Halt! Wenn sich jemand einmischt, zünden ich und meine Leute die Bomben, die wir an uns tragen«, rief der Unbekannte laut und hob den linken Arm. Er zeigte den Umstehenden etwas, das an einen Fernzünder erinnerte; mit seinen Worten erhoben sich fünf Männer an verschiedenen Stellen des Saals, legten ihre Sakkos ab und zeigten Sprengstoffgürtel: rote LEDs blinkten an den Zündern. Ein Aufschrei brandete durch das Theater, doch niemand wagte mehr, sich zu bewegen. Die Drohung wirkte. »Verstanden? Niemand greift ein, oder es geht alles in die Luft!«
Smolska starrte zuerst in den Raum, dann auf seinen Kontrahenten. Und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit beschlich ihn ein Gefühl, das er noch kurz zuvor nicht zu kennen glaubte ... Der Unbekannte riss den Degen aus der Wunde, wodurch er Smolska auf sich zuzog, bevor sich Knochen und Metall trennten. »Sie haben mich gefordert, Battuta, und ich sagte zu! Ich bin kein x-beliebiger Fechtpartner. Ihr Rückzug war eine maßlose Beleidigung. So etwas vergesse ich nicht. Niemals!« Er stieß Smolska vor die Brust, so dass er zurücktaumelte, aber sofort wieder den Arm mit der Waffe hob.
»Sind Sie verrückt?«, zischte Smolska und starrte fassungslos auf sein Blut. »Was Sie hier tun, wird man Ihnen nicht durchgehen lassen!« Er beherrschte sich, um nicht zu laut zu sprechen. Interna gingen die Besucher nichts an. »Ich werde es Ihnen nicht durchgehen lassen!« Die Klingen schlugen gleich mehrmals rasant gegeneinander, während die Männer umeinanderkreisten. Dann belauerten sie sich, ehe sie erneut aufeinander losgingen und versuchten, den Gegner zu treffen. Für die Zuschauer war das alles nicht mehr nachvollziehbar, zu
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