Blutportale
meinte Justine und drückte die Wahlwiederholung des Handys. Immer noch wurde in Genzano nicht abgehoben. »Wir haben das Schwert, der Sir hat das Monokel. Schnappen wir uns die Harfe und das Pergament. Ich glaube fast, dass der Beutel mit dem Zahn in der Nähe der Harfe ist. In deiner Vision trug einer der Chevaliers den Beutel am Gürtel, oder?«
Will nickte. »Das wäre gut für uns.« Er lehnte sich gegen die harte Holzlehne und blickte auf den Schwertgriff. Zu seinem Erstaunen spürte er das immer stärkere Verlangen, das Artefakt anzufassen und es in der Hand zu halten. Es war ihm durch seine Erlebnisse im Venedig des siebzehnten Jahrhunderts so vertraut, dass er bedauerte, es nicht selbst tragen zu dürfen. Er neigte sich vor, legte die Hand auf den Griff und erntete einen verwunderten Blick von Saskia und Justine. »Ich musste es einfach anfassen«, erklärte er verlegen. Er hielt inne, weil es in seinem Rücken plötzlich wieder riss; die Wunde schien sich dagegen aufzulehnen, dass er die Waffe berührte, die ihn beinahe getötet hatte. Will rang nach Luft. »Kreuzschmerzen«, sagte er zu den Frauen, die ihn bestürzt ansahen. »Bestimmt vom Unfall.«
Saskia betrachtete ihre aufgescheuerte Kleidung und die geschundene Haut darunter. »Ich bin froh, wenn ich erst mal eine Dusche nehmen kann.«
»Ein Bad wäre mir lieber«, sagte Justine. Sie versuchte ein drittes Mal, mit der Schwesternschaft telefonischen Kontakt aufzunehmen. »Hallo?«, rief sie erleichtert und verfiel ins Französische. Sie sprach fünf Minuten mit einer Frau, so viel verstanden Will und Saskia. »Sie sind noch mit der Recherche beschäftigt«, erklärte sie, nachdem sie das Gespräch beendet hatte.
»Was sie jetzt schon sagen können, ist, dass auf den Seiten ein Ritual beschrieben wird, mit dem eine Seele an einen Ort gebannt werden kann, und zusätzlich eine Bauanleitung. Dein Eindruck, Saskia, hat also gestimmt. Aber wir müssen noch abwarten.«
»Hast du sie gefragt, ob wir ihnen das Buch schicken können?«
»Ja, habe ich. Sie haben gesagt, dass sie im Moment mit einer anderen Sache sehr beschäftigt sind und es hintanstellen müssten - tut mir leid.«
»Hast du ihnen nicht gesagt, wie wichtig das hier für uns ist?« Saskia sah sie erstaunt an. »Natürlich. Aber... nun ... Faustitia schien sehr ... angespannt. Irgendetwas scheint nicht zu stimmen, aber sie wollte mir nicht sagen, was es ist.« Justine reichte das Handy zurück und erhob sich. »Ich schaue mich mal im Zug um«, verkündete sie.
»Du bist sicher, dass du allein losgehen solltest?«, fragte Saskia. »Was ist, wenn uns doch ein Dämonendiener gefolgt ist? Wäre es nicht besser, wir bleiben zusammen?«
»Machst du dir Sorgen um mich? C'est gentil, ma chère, aber nicht nötig. Wenn mir irgendwelche verdächtigen Typen auffallen«, erklärte Justine selbstsicher, »trete ich ihnen gehörig in den Arsch und schmeiße sie raus.« Mit diesen Worten schlenderte sie davon. Saskia lächelte Will an und verhüllte den Griff wieder. Danach nahm sie das halbwegs getrocknete Buch und blätterte darin, allerdings ohne die kyrillischen Buchstaben lesen zu können.
Sie schlug vorsichtig um, damit das feuchte Papier nicht riss. Aufschlussreicher waren die Zeichnungen, die sie bald entdeckte. Sie setzte sich neben Will, legte das Schwert auf ihren Platz und legte die Füße darauf. »Hier, schau dir mal die Abbildungen an«, sagte sie und hielt ihm das Buch hin. »Hilft dir das?«
Will beachtete das Buch gar nicht, sondern betrachtete ihr Profil. Sein Herz schlug schneller, und er seufzte leise. Eigentlich hatte er das gar nicht tun wollen, aber nun war sie aufmerksam geworden.
Saskia drehte den Kopf zu ihm und sah ihm genau in die Augen. Offenbar hatte er seine Empfindungen einen Moment zu lange gezeigt.
Sie lächelte und sah dabei zugleich ernst aus. »Will, lass uns nichts beginnen, was wir vielleicht gar nicht ernst meinen. Unter diesen Bedingungen hätte ich die ganze Zeit über das Gefühl, dass wir ...«Ihr fehlten die Worte. »Es käme mir mehr wie Verzweiflung vor als alles andere. Mehr ein falsches Trösten, verstehst du?«
»Für mich ist es das nicht«, sagte er leise. Wie gern hätte er jetzt ihre Hand genommen. Saskia hob das Buch an. »Wir sollten uns um die Artefakte kümmern«, lenkte sie ab. »Sobald wir unsere Aufgabe erfüllt haben, können wir ... können wir uns auf diesen einen Kaffee treffen, über den wir schon so oft gesprochen haben, und sehen,
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