Blutportale
lassen, dass die Konzentration geschwunden war; der Bittermandelgeschmack kaum mehr als ein Hauch. »Justine!«, rief sie.
Die Französin rannte vor und sprang mit beiden Füßen voran in die Seite des Wandlers, der sich eben mit geöffnetem Maul auf Will werfen wollte. Sie fegte ihn von den Beinen, landete auf ihm, rollte sich blitzschnell ab und langte nach dem Schwertgriff.
Wills Fuß schnellte heran und stellte sich auf die Klinge. »Fass es nicht an!«
»Was soll das?«, schrie Justine und spürte die Hand des Gegners um ihr Fußgelenk. Da wurde sie schon zurückgerissen.
Saskia hetzte los, stieß Will zur Seite, riss das Schwert an sich und attackierte den Wandler, der seine Reißzähne in Justines Hals schlagen wollte. Tief rammte sie die Klinge in den haarigen Rücken, und mit einem Heulen brach das Wesen über Justine zusammen.
»Merci, ma chère.« Fluchend rollte sie den sich verwandelnden Greg von sich herunter, erhob sich und kam wutschnaubend auf Will zu. »Und dir, mon ami...«
Will reckte sich kampfbereit - und sank mit einem neuerlichen Schmerzenslaut zusammen und hielt sich das Kreuz. Seine Beine wurden gefühllos und taub.
Unschlüssig blieb Justine vor ihm stehen. Die Selbstgefälligkeit, der Eindruck der Unbesiegbarkeit waren von einer Sekunde auf die andere verschwunden. »Ich müsste dir eine reinschlagen, dass du bis ins Moor fliegst«, fauchte sie ihn an.
Saskia schaute erschrocken an ihr vorbei: Das Auto mit den Eingeschlossenen war im Moor gelandet und versank blubbernd, die Stoßstange schaute noch heraus; der Rest war bereits abgesoffen. »Mein Gott«, sagte sie bestürzt, weil sie an die beiden unschuldigen Iren dachte. Du musst sie retten! Doch sosehr sie auch versuchte, die Gabe zu aktivieren - es gelang ihr nicht. Überanstrengung? Vor Hilflosigkeit traten ihr Tränen in die Augen. Ihre Macht hatte sie im entscheidenden Moment im Stich gelassen - und wieder waren Unschuldige wegen ihr gestorben! Justine ging derweil kopfschüttelnd um Will herum zu dem Lancia der Dämonenanbeter, der immer noch auf der Seite stand; sie warf sich mit Wucht dagegen, so dass er wieder auf die Räder fiel. Dann warf sie die Leichen der Wandler ins Moor. Nachdem sie zuletzt Greg dort versenkt hatte, stieg sie in den Wagen. Abgesehen von den Blutflecken, die vom nächsten irischen Regen davongespült werden würden, erinnerte nichts an den Kampf.
»Wir fahren mit dem verbeulten Ding weiter, bis wir was Besseres gefunden haben«, sagte sie, gleich darauf heulte der Motor auf. »Bien! Ca marche.«
Saskia wischte sich die Tränen weg und half Will beim Aufstehen. Er hatte das Gesicht verzogen und keuchte bei jeder noch so kleinen Bewegung. »Was ist?«
»Ich weiß es nicht«, ächzte er und sah dabei auf das Schwert in ihrer Hand.
Saskia ahnte, dass er es nicht wagte, sie danach zu fragen. Nicht nachdem er Justines Leben durch seine kindische Tat aufs Spiel gesetzt hatte. Außerdem hätte sie es ihm ohnehin nicht gegeben.
Sie fuhren los. Will rollte sich auf der Rückbank zusammen wie ein verwundetes Tier, Justine zündete sich die erste Zigarette an. Saskia versuchte, den Professor zu kontaktieren, die Nonnen und, Wills schwachen Protest ignorierend, gleich danach den Sir. Doch niemand meldete sich.
15. November
Republik Irland, County Clare, Oakwood-Arms-Hotel, ShannonFlughafen
Der Flug, der sie nach London bringen würde, ging um 22.45 Uhr; von dort hatten sie einen direkten Anschluss nach Antalya.
Drei Stunden blieben ihnen noch, um in einem Hotel auszuruhen und zu überlegen, wie sie in Syrien vorgehen sollten, um den Besitzer des Pergaments ausfindig zu machen. Draußen tobte ein Unwetter und peitschte den Regen über den Landstrich. Er prasselte gegen das Fenster und erzeugte ein gleichbleibendes Rauschen, das von einem Pfeifen begleitet wurde. Sturmböen drückten den Wind durch die Dichtungsritzen.
Justine telefonierte mit ihren Verbindungsleuten in der Türkei und organisierte den unerlaubten Grenzübertritt. Will lag auf dem Bett und starrte an die Decke, nachdem er vier Schmerztabletten genommen hatte. Das Stechen im Kreuz wurde immer heftiger.
Saskia untersuchte die schwarzen Saiten. Sie hatte sie vor sich auf dem Tisch ausgebreitet und versuchte zu erkennen, welche davon die entscheidende war. Sie hielt die Hand mit geringem Abstand darüber und horchte in sich hinein, ob es ein Gefühl in ihr auslöste. Sie hoffte, dass man die negative Schwingung des Dämonenhaars
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