Blutportale
Wind; zwar rüttelten die Böen heftig am Rollladen, aber die Streben hielten. Der Raum kam zur Ruhe.
Saskia besah sich das Chaos. Irgendwo darin lagen die Haare.
Will schrie auf und brach zusammen, wobei er halb auf das Bett fiel. Mit beiden Händen griff er sich in den Rücken.
Sie musste sich unverzüglich um seine Verletzung kümmern. Smyle würde in den nächsten Minuten wahrscheinlich nicht wieder auftauchen. Seine Furcht hatte ihm deutlich im Gesicht gestanden. »Warte, ich bin bei dir.« Schnell hob sie seine Beine auf das Bett und streifte ihm die Kleidung so auseinander, dass der Rücken freigelegt war.
Er ächzte, denn es kostete ihn Überwindung, die Stelle ungeschützt zu lassen.
Saskia war nervös, aufgeregt und hatte tatsächlich Angst, Will mehr zu schaden als zu nützen. Diese beschissene eingeschränkte Sicht! Hier ging es um Millimeter! Ein Ausrutscher konnte ihn schwer schädigen oder sogar töten.
»Tu es, Saskia«, murmelte Will, »bitte!«
Saskia atmete einmal tief ein und aus - dann beschwor sie ihre Gabe herauf. Sie konzentrierte sich auf die dunkle Linie auf Wills Rücken und setzte ihre Kraft so behutsam ein, wie sie konnte.
Es ließ sich nicht mit dem Öffnen des Sees vergleichen. Saskia spürte die Wärme des Männerkörpers und wie sich die einzelnen Schichten der Haut zuerst störrisch dehnten. Es fühlte sich an, als würde sie nicht mit ihrem Geist in Wills Körper eindringen, sondern mit den Fingerspitzen.
Sich langsam vortastend, stieß sie schließlich bis zum Entzündungsherd vor, traf auf heiße Flüssigkeit, viel heißer als Blut und Gewebe. Das Empfinden änderte sich, die Abscheu erschwerte ihr die Arbeit. Sie bohrte weiter wie eine Pfeilspitze, bis sie traf; schwarzrotes Blut und Eiter liefen aus dem bebenden Spalt auf die weiße Bettwäsche.
Will stöhnte auf und vergrub Gesicht und Hände im Laken. Die Schmerztabletten schienen kaum zu helfen.
Doch Saskia ließ nicht locker: Sie öffnete die alte Wunde weiter, verbreiterte den Spalt, bis er weit aufklaffte und sie das rohe Fleisch betrachten konnte, aus dem Blut und stinkendes, gelbliches Sekret liefen. Atemnot befiel sie, das Wachs flutete ihre Lunge und brachte sie zum Japsen.
Es kam immer mehr Blut - zu viel Blut! Sie hatte eine Ader verletzt, und es kam in rhythmischen Schüben hervorgesprudelt! Sie fühlte es durch ihre Finger rinnen, obwohl sie Will nicht physisch berührte.
Saskia rang die aufsteigende Panik nieder und kehrte trotz des Hustens ihre Gabe um; der Eiter war abgelaufen, auch die dunklen Verästelungen verschwunden. Jetzt war es Zeit zum Heilen. Die Bittermandeln in ihrem Mund wurden weniger und weniger. Gleichzeitig verwuchsen Wills Wundränder durch ihren Willen miteinander, versiegelten den glatten Schnitt, und wie mit einem leisen Flüstern fügte sich auch die Epidermis wieder zusammen. Was blieb, war eine weiße, feine Narbenlinie.
»Geschafft«, krächzte Saskia, räusperte sich und hustete das nicht reale und doch schrecklich echte Wachs aus der Kehle. Es war widerlich. Die Furcht, bei der nächsten Anwendung vielleicht daran zu ersticken, ließ niemals nach. Sie fühlte sich ausgelaugt und am Ende ihrer mentalen Kraft. Für den See hatte sie eine andere Art der Anstrengung unternehmen müssen, die eher physischer Natur gewesen war. Diese geistige Erschöpfung machte ihr ganz anders zu schaffen.
Sie brauchte einige Sekunden, bevor sie sich auf die Füße stemmen konnte. Vorsichtig, Schritt für Schritt bewusst setzend, ging sie ins Bad, um ein Handtuch zu holen und Wills Rücken zu säubern. »Du kannst aufstehen.«
Er rührte sich nicht. Die Schmerzen hatten ihn ohnmächtig werden lassen.
Rasch prüfte sie seinen Puls und stellte fest, dass er gleichmäßig und kräftig war. Kein Grund zu noch mehr Sorge; er brauchte einfach Ruhe.
Saskia wandte sich von ihm ab und begann mit ihrer Suche im Zimmer. Sie wusste, dass es die Suche nach den Nadeln im Heuhaufen werden würde. Sie gab bald auf, setzte sich inmitten des Durcheinanders in den Sessel und betrachtete Will. Unter Umständen konnte er die Haare mit Hilfe einer Vision finden, wenn er wieder aufgewacht war.
Ihr Blick wanderte an ihm entlang. Er hatte sich in den letzten Tagen so sehr verändert. Aus dem freundlichen, charmanten Mann, unter dessen geschickten Händen die schönsten Blumengestecke entstanden, war jemand geworden, der ihr durch seine neuen Kräfte durchaus Angst einflößte; noch dazu schien er auf unheilvolle
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