Blutportale
wenn man gegen das Böse kämpft«, sagte Saskia hitzig. »Ich will Will nicht opfern, ganz sicher nicht, aber wenn ich an die vielen Menschen denke, die allein am Baikalsee gestorben sind ... Und was ist mit den Nonnen, Justine? Der Maitre hat sie auf dem Gewissen, oder? Willst du sie in der Zukunft zum Tode verurteilen?«
Das Argument saß, verursachte schon beinahe körperliche Schmerzen. Justine taumelte einen Schritt zurück - und gab Saskia, die wild entschlossen war, die Möglichkeit, sich loszureißen und nach draußen zu stürmen.
In Justines Kopf ging es durcheinander. Sie konnte Rache an Levantin nehmen, sie konnte dadurch die Schwesternschaft retten - und wenn sie dazu verdammt war, in dieser Zeit zu bleiben, würde es ihr sicher gelingen, sich zur Herrscherin eines antiken Reiches aufzuschwingen und ein Leben in Reichtum und Luxus zu führen.
Das alles klang so verführerisch. Und zu einfach.
Justine rannte los. Bis sie Saskia gefunden hatte, würde sie hoffentlich wissen, wen sie töten sollte: Levantin - oder die letzte Freundin, die ihr geblieben war.
Es fiel Saskia nicht schwer, der Sänfte zu folgen; die Geschwindigkeit, mit der es voranging, war niedrig. Was sie sehr erleichterte, war, dass ihr niemand besondere Beachtung schenkte. Zwar trafen sie ein paar befremdete Blicke, doch sobald sie das Schwert in den Falten des Gewands verbarg, ließ auch das rasch nach. Das war der Vorteil an einer Handelsstadt, in der viele Völker aufeinandertrafen: Man war den Anblick von Kuriositäten gewohnt. Zudem blieb sie nie lange genug stehen, damit die negative Ausstrahlung der Waffe die Menschen um sie herum beeinflussen und gegen sie aufbringen konnte.
Levantin genoss es sichtlich, im Mittelpunkt zu stehen und sich die Huldigungen der Menschen abzuholen. Saskia hasste ihn aus tiefstem Herzen. Sie war sicher, dass das Wesen, was sie vor sich sah, um keinen Deut besser war als sein Jahrhunderte älteres Ich, das sie in der Gegenwart gezeichnet hatte. Was sie noch nicht abschätzen konnte, war der richtige Moment fürs Zuschlagen. Natürlich könnte sie ihre Gabe einsetzen, die Legionäre in Fetzen reißen, die Umgebung verwüsten und dabei Levantin gleich mit. Doch das wollte sie nicht. Das Wort Bestimmung geisterte durch ihren Verstand. Sie musste zur Attentäterin werden. Frans Hohentgar, das Siegel mit den drei Dolchpaaren, eine Ahnengeschichte voller Söldner blitzten auf. Sie war hervorgegangen aus einer Linie exzellenter Klingenkämpferinnen und -kämpfen Möglicherweise war es ihr immer bestimmt gewesen, in die Vergangenheit zu reisen und hier das Vermächtnis ihrer Familie zu erfüllen.
Die Sänfte wurde mittlerweile durch eine engere Straße getragen, Saskia lief an ihr vorbei, ging einige Schritte voraus und blieb stehen. Sie sah sich um, ob sie Justine irgendwo erblickte. Sie war sicher, dass die Französin sie verfolgen würde.
Eine Frau sprach sie an. Sie wandte sich um und stand vor den Auslagen einer Händlerin. Es roch nach frischem, blutigem Fleisch. Auf dem Holztisch waren einzelne Stücke ausgebreitet, sie erkannte eine Schafskeule, Rinderfüße, dazu jede Menge Innereien, ein paar tote Tauben und Tiere, die sie auf den ersten Blick in dem aufgebrochenen und ausgeweideten Zustand nicht zuordnen konnte.
Die Händlerin fuchtelte mit den Armen und hatte einen fordernden Tonfall. Saskia zuckte mit den Schultern und antwortete ihr auf Deutsch, damit die Frau merkte, dass sie nicht aus Palmyra stammte.
Angewidert verzog die Unbekannte das Gesicht - und griff nach dem Hackbeil, das im Tisch zwischen dem Fleisch steckte! Sie spürte die Wirkung des Schwertes. Saskia wollte sich aus dem Staub machen, doch schon schob sich der große, kräftige Gehilfe der Schlachterin vor sie. Seine Lederschürze war voll getrocknetem Blut, und der Leinensack, den er über der Schulter trug, roch nicht wirklich gut. Die Menschen der Antike mussten über einen gesunden Magen und ein robustes Immunsystem verfügen. Der Mann streckte die Hand nach ihr aus, und sie hob das Schwert und legte es an seine Kehle. Die Fleischerin knurrte etwas - und es erinnerte Saskia frappierend an den Laut, den die Wandler in Irland von sich gegeben hatten.
Die Einlegearbeiten auf dem Schwert gerieten in Bewegung, das Artefakt hielt sich bereit, durch den kleinsten Kratzer in der Haut in den Feind einzudringen und ihn zu vernichten. Doch anscheinend genügte bereits der Anblick der Waffe. Der Fleischergehilfe schrie vor Entsetzen
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