Blutportale
davon klatschten auf sie. Auf diese Ablenkung hatte der Löwe gewartet. Er sprang sie an und schlug mit seinen tatzenhaften Händen zu. Die Nägel waren noch länger und schimmerten schärfer als die des Schakals. Saskia wich aus und bekam dennoch einen schmerzhaften Schlag gegen die Schulter. Die Krallen hatten den Stoff durchschnitten und vier tiefe Schrammen hinterlassen, aus denen Blut quoll.
Die Reflexe und der Ehrgeiz der Kämpferin in ihr erwachten. Sie musste die Gabe nicht einsetzen, solange sie die Klinge führen konnte.
Als die Schakalfrau mit den beiden Haken gleichzeitig nach ihr schlug, lenkte sie die Angriffe um, so dass sich die Spitzen tief in die Brust des Löwenwandlers bohrten. Das getroffene Wesen brüllte laut auf und wollte sich die Haken herausreißen.
Saskia zog die Schneide senkrecht über die ausgestreckten Arme der Schakalfrau, rasierte das Fell weg, ohne der Haut auch nur einen Kratzer zuzufügen, und nutzte die Arme als Rampe, welche die Klinge exakt ins Schlüsselbein führte. Das Schwert tobte sich aus. Das Silber flutete die Wandlerin, die qualmend und kreischend auf die Erde fiel. Rauch stieg aus den Ohren, dem Maul, der Nase und bald aus ihren Poren, während die Flüssigkeit sie von innen zersetzte. Die Löwenkreatur ließ die Haken stecken und sprang Saskia mit einem ohrenbetäubenden Brüllen an. Sie roch den stinkenden Atem des Feindes, der unter ihrer Finte abtauchte. Er schnellte hoch und wollte sie in eine tödliche Umarmung zwingen, das Maul mit den gefährlichen Zähnen weit aufgerissen.
Saskia tat, mit was er am wenigsten rechnete: Sie ließ ihn gewähren. In letzter Sekunde hielt sie das Schwert dabei senkrecht vor sich und spannte die Muskeln an.
Zuerst dachte sie, ihr Trick würde misslingen, doch der gewaltige Löwenwandler schloss die Arme zu einer Umklammerung und bemerkte in seinem verfrühten Triumph nicht, dass sich ihm die Klinge in den Weg schob. So rammte er sich das Schwert selbst in die Schnauze und teilte sie mehrere Zentimeter tief. Sekunden später strömte silbriges Blut aus seinen Augen, es stank nach verbranntem Fleisch, und dieses Mal lösten sich sogar Teile des Schädels auf, als würde er von innen mit Säure angefüllt.
Saskia wich dem fallenden, sich zersetzenden Kadaver aus, sprang in die Höhe, hielt sich mit einer Hand an der Querstange fest, pendelte zwischen den aufgehängten Fleischstücken und zog die Beine an. Noch fehlte die Anakonda.
Die Fleischbrocken und Extremitäten schwangen mit ihr zusammen vor und zurück, Metall rieb quietschend über Metall. Die Ketten, die als Aufhängung dienten, klirrten und rasselten leise. So genau sich Saskia auch umblickte, sie konnte die Riesenschlange nicht entdecken. Saskia ging das Wagnis ein, sich auf den Boden herabzulassen, und lief geduckt durch den Lagerraum, immer bereit, mit dem Schwert zuzustoßen. Das Reptil schien es vorgezogen zu haben, sich in Sicherheit zu bringen. Dagegen hatte Saskia nichts einzuwenden.
Sie kehrte ins Freie zurück, hielt schwer atmend vor den Auslagen und schaute sich um. Von der Sänfte war nichts zu sehen.
»Da bist du ja!« Justine stand keine fünf Meter von ihr entfernt und sah erleichtert aus. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass ich dich nicht mehr finde.«
Sie hob den Arm, die Pistolenmündung zeigte auf Saskia. Bevor die etwas sagen konnte, erklang der Schuss.
17. November
Frankreich, Chinon
Levantin sah zu der sehr gut erhaltenen, herrlich illuminierten Ruine der Burg Chinon hinauf, die über dem Fluss Vienne thronte. Sie war mal in englischer, mal französischer Hand gewesen; Richard Löwenherz hatte einst in ihr residiert, Johanna von Orleans ritt von Chinon aus in die Schlacht, um ihren König zu retten, und nicht zuletzt hatten die Anführer der Templer im Verlies der Burg auf ihren Prozess gewartet. Eine Festung mit großer Vergangenheit. Heute gingen in ihr ganz andere Dinge vor.
Sein Netz aus Kontakten hatte hervorragend gearbeitet. Mit einigem Aufwand und nach der Verfolgung zahlreicher Spuren hatten seine Leute das Zentrum von Beluas Dienern gefunden. Levantin wollte dabei sein, weswegen er Justine, Saskia und Will zwischenzeitlich der Obhut anderer überließ.
Er schlenderte durch den einsetzenden Nieselregen über die Brücke auf den Berg mit der Festung zu und die Straße entlang, als hätte er alle Zeit der Welt.
Er tauchte in die nächtlichen Gassen ein und blieb vor einem mittelalterlichen Haus stehen. Auf dem
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