Blutportale
Ni bonne, ni mauvaise, mais mortelle pour nos ennemis et les traitres«, sprach er getragen die jahrhundertealte französische Formel, mit der jedes Duell eröffnet wurde. »Die ehrenwerte, altehrwürdige union des lames und das Komitee grüßen die Kämpfer Maitre und Rapier.« Das Kampfgericht erhob sich und verbeugte sich vor ihnen, nur einer blieb am Tisch sitzen und notierte, was gesagt wurde. »Die beiden Kontrahenten haben sich einverstanden erklärt, ohne Planche zu kämpfen und ein freies Gefecht zuzulassen. Gewonnen hat, wer seinem Gegner gemäß den Statuten der union zuerst fünf sichtbare, blutende Wunden schlägt oder den Sieg von seinem Gegner geschenkt bekommt. Bei einem Unentschieden geht der Kampf weiter. Stets gilt: Der Tod des Gegners ist kein erstrebenswertes Ziel, mag jedoch geschehen.«
Saskia kannte diese Floskel auswendig. Niemals war sie auf den Gedanken gekommen, dass ihre Gegner der letzten Jahre mit der Absicht angetreten waren, sie zu töten. Aber im Angesicht des Maître erhielt der Zusatz plötzlich etwas Reales und sehr Bedrohliches. Der Sprecher bedeutete den Richterinnen und Richtern, ihre Plätze im Raum einzunehmen, um das Gefecht aus verschiedenen Winkeln verfolgen zu können. »Sobald ein Treffer erzielt wurde, nehmen die Duellisten wieder ihre Ausgangsposition ein. Gehört und verstanden?«
Saskia und der Maître nickten zum Zeichen, dass sie die Regeln kannten und annahmen. »Combattants, en gardel« Der Mann hob die Hand und senkte sie abrupt. Der Maitre nahm die klassische Fechtposition ein und wartete, Saskia duckte sich etwas, um ein kleineres Angriffsziel zu bieten, und streckte ihren Säbel vor.
Beide verharrten regungslos.
Saskia spürte, dass ihr unter dem Tuch der Schweiß ausbrach. Der Blick auf die spiegelnde Maske verunsicherte sie, weil sie gezwungen war, sich selbst zu betrachten. Also konzentrierte sie sich stattdessen auf die trainierten Schultermuskeln des Gegners und wartete auf ein verräterisches Zucken. Dabei entdeckte sie graue, kaum sichtbare dünne Symbole auf seiner Haut, die Ausläufern einer großen, verblichenen Tätowierung glichen.
Ansatzlos führte der Maitre einen abrupten, harten Schlag gegen ihre Klinge, um ihren Schutz zur Seite zu schieben und Platz für den eigenen Stoß zu schaffen.
31. Oktober
Deutschland, Hamburg
Nachdem Will bei der Polizei die Ereignisse zu Protokoll gegeben und die ersten Aufräumarbeiten im India in die Wege geleitet hatte, erhielt er einen beunruhigenden Anruf des Wachschutzes. Sie hatten ein Signal aus der Villa erhalten - kein Einbruchssignal, sondern eine technische Störung - und wollten wissen, was sie tun sollten. Unter normalen Umständen wäre dies für Will kein Grund zur Besorgnis gewesen; es konnte schließlich passieren, dass die HighTech-Alarmanlage einen Aussetzer hatte. Aber an einem Tag wie heute?
Als Will kurze Zeit später zusammen mit den beiden Uniformierten des Wachschutzes und einer Tüte unter dem Arm das Anwesen betrat, merkte er sofort, dass es kühler war als sonst. Nicht etwa, weil er vergessen hatte, die Heizung anzustellen, sondern weil Durchzug herrschte. Wills inneren Alarmsirenen schrillten. »Sehen wir uns um«, schlug einer der Objektschützer vor, zückte die massive MagLite und hielt sie wie einen Schlagstock.
Rasch unternahm Will mit den beiden Männern einen Rundgang und entdeckte bald den Grund für den Durchzug: Die Tür seines Arbeitszimmers zum Garten stand sperrangelweit offen. »Ich bin sicher, dass ich sie heute Morgen geschlossen habe«, versicherte er.
»Das war die Arbeit eines Profis«, kommentierte der Uniformierte nach einem Blick. »Samt der Sperre aus der Verankerung gedrückt.«
Sein Begleiter hob die Lampe, sandte den gebündelten Strahl hinaus in den Garten - und erfasste eine muskulöse Gestalt in schwarzer Kleidung, die versuchte, sich in den Hecken zu verbergen. »Da ist der Mistkerl!« Der Einbrecher rannte sofort in Richtung Auffahrt; die Wachschutzleute hetzten hinterher. »Sie bleiben, wo Sie sind, Herr Gul!«, brüllte der eine noch über die Schulter.
»Shiva, warum prüfst du mich so?« Will fasste es nicht: Die Schläger, die Untersuchung im Krankenhaus, das Protokoll bei der Polizei, sein zerstörter Laden - und nun auch noch das! Das Wort Fluch geisterte durch seinen Verstand. Hatte diese Hansen womöglich recht? Oder war es einfach nur schlechtes Karma? Welchen der vielen indischen Götter musste er besänftigen? »Scheiße!«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher