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Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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von der Spurensicherung bereits auf dem Weg waren. Will bat sie herein, und als er von einem Beamten gefragt wurde, ob er schon wisse, was gestohlen worden sei, sagte er: »Zehntausend Euro.«
     
III. KAPITEL
31. Oktober
Deutschland, Hamburg, Speicherstadt 
    Saskia hatte den Eindruck, dass sich der Maitre schneller als ein normaler Mensch bewegte.
    Gleichzeitig flackerte ihr eigenes Spiegelbild auf dem Helm des Kontrahenten vorwärts und gaukelte ihr vor, dass sie sich zur Seite beugte - was sie aber in Wirklichkeit nicht tat. Sie war geistesgegenwärtig genug, dem ihr entgegenspringenden Mann nach links auszuweichen und das Rapier mit ihrem Säbel aus der Stoßbahn zu lenken. Dabei erblickte sie eine verschnörkelte, verworrene Tätowierung in Grau und Schwarz auf seinem Rücken, deren rankenhaften Ausläufer sie vorhin schon gesehen hatte.
    Ohne hinzuschauen, schlug der Mann nach ihr, schräg nach hinten.
    Ihre brillanten Fechtinstinkte retteten Saskia. Klirrend trafen die Klingen aufeinander, und sie machte zwei schnelle Schritte rückwärts, um sich außerhalb der Reichweite des langen Rapiers zu bringen. Saskia wollte Ruhe in den Kampf bringen und nicht nur reagieren. Agieren, das brachte ihr Vorteile.
    Der Maitre blieb stehen und nahm die reguläre Fechtposition ein: ein Fuß gerade nach vorn, die Zehen zum Gegner, der hintere im rechten Winkel dazu versetzt, die Beine leicht gebeugt. Dann senkte er das Rapier und stützte die andere Hand in die Hüfte. Provozierend wartete er auf sie. Die Kerzenflämmchen tanzten auf seinem Spiegelgesicht und machten ihn zu einem überirdischen, unwirklichen Wesen, vor dem man in früheren Zeiten schreiend Reißaus genommen hätte. Wie er so dastand, glich er einem Engel oder einem Dämon - und hatte wenig Menschliches.
    Saskia spürte etwas Warmes, das an ihrer Brust herablief, und tastete irritiert danach. Als sie einen schnellen Blick auf ihre Finger warf, sah sie erschreckt, dass sie rot gefärbt waren. Jetzt spürte sie auch das Brennen der Wunde, die unterhalb der Kehle lag. Nur eine sehr scharfe Schneide hinterließ Verletzungen, deren Schmerz erst viel später kam; sie hatte keine Ahnung, wie der Maitre es geschafft hatte, sie zu treffen.
    »Touche«, sagte eine Männerstimme am Richtertisch. »Un point pour le Maitre.« Saskia biss die Zähne zusammen, verdrängte das Ziehen und hob den Säbel. Sie würde den Beweis antreten, dass sie nicht das Opfer war, für das er sie hielt! Saskia unternahm einen stürmischen Ausfall und trieb den Maitre mit angetäuschten Hieben zurück, wobei sie nicht umhinkam, für einen Sekundenbruchteil seine perfekte Haltung und den trainierten Körper zu bewundern. Er glich mehr einem Dreißigjährigen als einem Fünfzigjährigen, und seine Paraden erfolgten sehr ökonomisch, sehr genau und keineswegs hektisch.
    Doch sie erkannte bei seinen Manövern, dass es eine Lücke in der Deckung gab. Eine winzige Lücke, eine ungedeckte Stelle, wenn er das Rapier nach links oben hob. Ihre Chance auf einen Punkt! Saskia täuschte wieder zwei Stöße gegen die Körpermitte an, die er nicht mehr ganz so souverän abwehrte - und schlug plötzlich nach oben zur Schulter.
    Zwar erkannte der Maitre den Wechsel, doch die Säbelspitze erwischte ihn über dem linken Schlüsselbein und zog eine lange rote Linie. Hinter dem Visier erklang ein hohles, tiefes Schnauben.
    »Touche«, sagte einer der Richter, und sie meinte eine gewisse Begeisterung darin zu hören. »Un point pour Rapier.«
    Saskia grüßte, indem sie den Säbelgriff vors Gesicht hob und abrupt senkte.
    Doch ihr Kontrahent ging ansatzlos zur Attacke über und führte mit ausladenden, raumgreifenden Schritten Stöße gegen ihren Oberkörper. Sie folgten so rasch aufeinander, dass Saskia nichts anderes tun konnte, als beinahe schon rückwärts zu rennen und dabei mit dem Säbel nach vorn zu schlagen, um das Rapier abzuleiten. Der Boden vibrierte unter seinen Schuhen, wenn er auftrat. Mit eiskalter Gewissheit erkannte Saskia: Ihrem Gegner ging es nicht nur darum, sie zu verletzen und zu besiegen - er wollte sie töten! Die brachiale Wucht, die hinter den Angriffen steckte, hätte sie dem Mann nicht zugetraut. Auch wenn er einen definierten Körper besaß, war diese Gewalt, dieser Druck mit Muskelkraft allein nicht zu erreichen. Sie realisierte, dass der Holzboden unter seinen Füßen ächzte und knirschte, als würde er viele Hundert Kilogramm wiegen.
    Der Maitre schien nicht erlahmen zu wollen,

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