Blutportale
schauten. Überall wurde gelacht und geredet, die fröhliche Bollywood-Musik erlaubte keine schlechte Laune. Einige der Männer und Frauen trugen sogar indisch inspirierte Mode; heute Abend fiel Saskia mit ihrer Vorliebe für Buntes nicht weiter auf.
Sofort kam eine nächste Sari-Dame auf sie zu und verpasste ihnen einen roten Punkt oberhalb der Nasenwurzel, Saskia klebte sie noch ein Bindi aus Strasssteinen auf die Stirn. Nachdem sie sich bedankt hatten, zog Saskia ihren Begleiter in Richtung des eindrucksvollen Büfetts, das sie sofort entdeckt hatte. »Weißt du, wer liefern durfte?«
»Keine Ahnung, aber wahrscheinlich jemand, der auf indische Küche spezialisiert ist«, sagte Patrick und deutete auf einen Aufsteller zwischen den appetitlich angerichteten Platten und Schüsseln. »Anil Singh. Nie gehört.« Er nahm sich einen Teller. »Mal sehen, was die Konkurrenz so gezaubert hat.« Ihr Gastgeber hatte an nichts gespart, und es würde mindestens vier Anläufe brauchen, um von allen Köstlichkeiten zu probieren, die hier angeboten wurden. Kaum hatten Saskia und Patrick ihre ersten beladenen Teller zu einem Stehtisch getragen, wurde ihnen von einer freundlichen Kellnerin indisches Bier serviert. Die beiden stießen gutgelaunt miteinander an, aßen und betrachteten den Trubel. Das Ambiente und das heitere Wirrwarr ließen Saskia die Schmerzen vergessen, ihre Stimmung stieg, und sie lachte vergnügt über die bissigen Kommentare, mit denen Patrick einige vorbeitanzende Gäste bedachte - bis sie die Statue an der Wand sah. Sie hatte viele Arme, zwei Hände hielten einen blitzenden Dolch und einen Totenkopf. Mit dem Fuß drückte sie einen sich windenden Säugling auf den Boden; das grausame Lächeln machte Saskia Angst. Sie wusste, wen sie dort stehen sah: Kali, Göttin der Erneuerung, aber auch der Zerstörung - und des Todes! Es war eine sehr finstere Arbeit; das Material erinnerte an angelaufenes Silber. Die Flecken im Gesicht der Göttin glichen Schatten, welche sie noch finsterer machten, nur die Augen glitzerten im Scheinwerferlicht boshaft und lebendig.
Saskia wandte schaudernd den Blick -ab und konzentrierte sich schnell auf die professionelle Tänzerin, die gerade auf der Tanzfläche mit einer Choreographie begann, die in jedem Bollywood-Musical einen Ehrenplatz bekommen hätte. Doch obwohl Saskia nichts lieber wollte, als sich in dem bunten, lebensfrohen Schauspiel zu verlieren, konnte sie den Gedanken nicht verdrängen, dass die Statue von ihrem Platz steigen und ein Blutbad unter den Gästen anrichten würde, wenn sie noch ein einziges Mal hinschaute.
Sie spürte eine aufkommende Beklemmung, schüttelte sich und fasste sich gleich darauf leicht an die Brust. Die Wunden zogen. Verdammte Pillen!
»Einen wunderschönen guten Abend«, sagte plötzlich eine warme Stimme hinter ihnen. Eine Hand legte sich auf Saskias Schulter, und sie wandte sich um. »Freut mich, dass du kommen konntest, Saskia.«
Vor ihnen stand Will, der Gastgeber. Er trug eine perfekt sitzende schwarze Stoffhose und ein weißes indisches Sakko; die halblangen Haare waren glatt nach hinten gekämmt. So schick gemacht hatte sie ihn noch nie gesehen, und sie musste gestehen, dass er Eindruck machte. Mehr als in seinen alten Jeans und mit Schürze, die er trug, wenn er Gestecke auslieferte. Saskia war überrascht. Angenehm überrascht. Kleider machen also wirklich Leute, dachte sie und musste lächeln. »Will - ich hätte dich beinahe nicht wiedererkannt. Das ist ein wunderbares Fest, vielen Dank für die Einladung.«
Er lächelte und schenkte jedem von ihnen einen freundlichen Blick aus seinen braunen Augen. Dann legte er die Hände zusammen und verbeugte sich. »Namaste.« Saskia und Patrick erwiderten die indische Begrüßungsgeste, danach reichten sie ihm die Hand.
»Ich habe nicht jeden Tag so berühmte Gäste«, sagte Will. »Kann es sein, dass ich dein Gesicht neulich in der Zeitung gesehen habe? Du wurdest doch für eine Kreation mit diesem Feinschmeckerpreis ausgezeichnet, der Goldenen Gabel, oder täusche ich mich?« Er fuhr sich mit den Fingern nachdenklich über den kurzen Bart an seinem Unterkiefer. »Waren das nicht die Kartoffel-Speck-Käsekroketten mit Muskat und einer Acht-Sorten-Pfeffer-Soße?« Saskia staunte. »Ja«, sagte sie verblüfft. »Dass du das weißt...«
»Ich freue mich immer, wenn meine Kunden Erfolg haben«, sagte er lachend. »Zum einen fühle ich mich geehrt, zum anderen färbt es ja auch auf mein
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