Blutportale
der Zufahrt. Er starrte auf den Eingang und glaubte eine Bewegung in der Halle gesehen zu haben. Er wollte zurücklaufen und rufen - da gab das Handy einen Piepslaut von sich: Das Display leuchtete auf und verkündete Dienst möglich. Sofort tippte er den Notruf und musste sich wegen der intensiven Winde und der Hitze abwenden. In dem Moment erhielt er einen Schlag gegen den Hinterkopf. Er sah noch, wie ein vom Wind abgerissener Ast neben ihm zu Boden krachte, dann stürzte er benommen nieder. Aber er wurde nicht ohnmächtig.
Will befand sich in einem quälenden Zwischenstadium, halb wach und doch nicht in der Lage, sich zu rühren, während um ihn die Gewalten tobten. Er hörte die Stimme der Notrufzentrale, eine weibliche Stimme, und konnte ihr nicht antworten.
Es klickte, und das Display erlosch.
Nein! Will begann, gegen das Taubheitsgefühl anzukämpfen; er wusste, dass er für lange Zeit nicht mehr zu Bewusstsein kommen würde, wenn er jetzt die Augen schloss. Er kämpfte dagegen an - und tatsächlich: Das watteartige Gefühl in seinem Schädel wurde schließlich schwächer und schwand.
Wie lange er so dagelegen hatte, wusste er nicht. Will stützte sich etwas auf, riss das Handy erneut an sich, wählte zitternd die 110 und wartete.
Summend erwachten die Lampen im Garten und entlang des Wegs zum Leben. Der Sturm verebbte so plötzlich, wie er begonnen hatte, und die Gluthitze, die gerade noch wie ein wütendes Raubtier mit feurigen Klauen nach ihm schlug, zog sich schlagartig zurück. Will wandte sich langsam um und stierte verständnislos auf die ausladende Fassade der Villa: Nichts, aber auch gar nichts deutete darauf hin, dass blaues Feuer hinter den Fenstern getobt hatte.
»Das gibt es ... doch ... nicht!«, stammelte er.
Oliver erschien wankend an der Hausecke und drehte sich um die eigene Achse. »Ey, Will! Da biste ja! Du hast mich fall'n lass'n! Scheiße, voll ins Nasse«, protestierte er. »Soll'n das?« »Notrufzentrale«, sagte eine Frauenstimme aus dem Lautsprecher des Handys. Will achtete nicht darauf und konnte den Blick nicht von der Villa abwenden: kein Ruß, keine zerstörten Scheiben ... von außen deutete nichts auf einen Brand hin!
»Bin ich verrückt geworden?«, murmelte er, stand auf und eilte zum Haupteingang. Die Notrufzentrale hatte er in seiner Aufregung vergessen. Er musste sich ein eigenes Bild machen, sich von der Sinnestäuschung selbst überzeugen. Was sollte es sonst gewesen sein? Will steckte das Handy ein und trat vorsichtig durch den Windfang ins Innere. Was ihm sofort auffiel: Es war totenstill. Viel zu ruhig für eine Party oder eine Feuerkatastrophe. Mit dieser Stille stimmte etwas nicht.
Was er in diesem Moment sah, raubte ihm den Atem und das letzte bisschen Fassung, das er sich bewahrt hatte.
Direkt vor seinen Schuhspitzen lag eine Kellnerin in einer Blutlache. Ihr Gesicht war vor Entsetzen entstellt - und ihr Körper wie mit einem riesigen Messer in zwei Hälften geschnitten. Als er entsetzt nach links schaute, entdeckte er eine weitere Tote, der die rechte Schulter abgeschlagen worden war.
Er riss sich von dem grausigen Anblick los, taumelte einen Schritt zur Seite, stützte sich mit beiden Händen an der Wand ab - und musste den Anblick zahlreicher Blutspritzer darauf ertragen. Will rang nach Luft. Mit dem Einatmen bekam er einen aufdringlichen feuchtwarmen Eisengeruch in die Nase; dazu mengte sich der Gestank nach Fäkalien.
Der Fluch, von dem Hansen gesprochen hatte? Gab es einen Dämon, der die Villa in seinem Bann hielt? Fragen jagten durch seinen Verstand. Warum hatte er nicht viel früher etwas davon bemerkt? Wie hatte der Dämon seinem Reinigungsritual widerstehen können? Vorsichtig begann Will, sich umzusehen - und entdeckte sofort noch mehr Leichen, noch mehr Bilder des Schreckens. Das kann nicht echt sein, schoss es ihm durch den Kopf. Das sind nichts anderes als Halluzinationen! Ja, so musste es sein. Eine Täuschung wie der Brand. Blaue Flammen, der Sturm aus dem Nichts, ein Gemetzel innerhalb von wenigen Minuten, so etwas konnte einfach nicht real sein! Was aber wollte der Dämon mit diesen Trugbildern hier erreichen: ihn in den Selbstmord treiben wie die Nichte des Sirs? Würgend ging Will vorwärts, um zu erkunden, ob die Illusion nach einigen Metern enden würde. »Dämonisches Blendwerk!«, rief er trotzig in die Stille des Raums hinein.
Will stand in einer roten Lache vor dem abgeschlagenen Unterarm einer Frau, wie er am Schmuck um das
Weitere Kostenlose Bücher