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Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Handgelenk erkannte. Die Wundränder waren völlig glatt. Er bückte sich und nahm all seinen Mut zusammen, um das Fleisch zu berühren. »Es ist nur eine Einbildung«, wiederholte er unentwegt und spürte gleich darauf die noch warme Haut.
    Die vollkommene Lautlosigkeit, die unnatürliche Ruhe machte ihm zu schaffen. Sie zerrte an seinen Nerven und steigerte nur die Erwartung, einen Schrei oder einen schrillen Laut zu hören, der zu dem Horror um ihn herum passte.
    »Verflucht seist du, was immer du bist!«, rief er. »Geist oder Dämon, das ist mir egal! Mich wirst du nicht verjagen oder in den Tod treiben!«
    Will ging auf den Durchgang des riesigen Wohnzimmers zu, in dem die Party stattgefunden hatte.
    Er trat hinein - und blickte auf ein Massaker: Geschäftspartner, Bekannte und Freunde, von scharfen Klingen zerteilt, am Boden liegend und in absurden Posen gefangen, tot, im eigenen Blut regelrecht schwimmend. Der Gestank war fürchterlich.
    Will wich zurück, sein Kreislauf sackte ab, und er wurde fast ohnmächtig vom Schock. Und was, wenn die übernatürliche Macht ihn nicht mit einer Illusion narrte, sondern tatsächlich all diese Menschen umgebracht hatte? Ein noch viel schrecklicheres Wort als Dämon tauchte in seinem Denken auf und kristallisierte sich in aller Deutlichkeit: Realität! Das hier war Realität! Deswegen die Stille, deswegen das täuschend echte Blut und die täuschend echten Leichen weil sie allesamt wirklich tot waren!
    Will schluckte und raufte sich die Haare. Eine Klammer legte sich um sein Herz und presste es zusammen. Er brauchte Hilfe, sofort! Er wollte, dass Polizisten, Sanitäter, Feuerwehrleute kamen und ihm in diesem Schrecken beistanden, ihn vor dem Grauen retteten.
    Er fummelte das Handy aus der Tasche und ließ es fallen; hastig ging er in die Knie, um es aufzuheben. Dabei entdeckte er eine blutrote Fußspur: Ein nacktes Paar Füße war aus dem Festsaal hinaus und den Korridor entlanggegangen.
    Hatte er vorhin von draußen nicht eine menschliche Gestalt gesehen? Lebte hier noch jemand? Will konnte nicht anders, er musste dieser Spur einfach folgen. Sie war das einzige Zeichen von Leben in diesem schauderhaften Totenhaus, die einzige Hoffnung, die er noch haben durfte. Sie führte ihn vorbei an weiteren verstümmelten Leichen in seinen eigenen Trakt, in den Korridor, in dem das Licht der Strahler noch immer flackerte, als sei die Leitung defekt. Die Spuren lotsten ihn bis exakt vor die Stelle, an welcher der Wandteppich normalerweise hing. Aber er war zusammen mit der Scheibe abgehängt worden; dahinter befand sich eine rätselhafte Tür.
    Sie stand offen!
    Und die zierlichen Fußspuren einer Frau führten hinein und wieder hinaus.
    Ein Schauder raste ihm vom Nacken den Rücken hinunter: Hatte sich der Dämon all die Jahre hinter dieser Tür versteckt - oder war er dort gefangen gewesen? Was hatte ihn befreit? Viel wichtiger: Wie wurde er ihn wieder los? Welches Ritual benötigte er? Und war es möglich, dass er nun einer Macht gegenüberstand, gegen die seine Reinigungsrituale aussichtslos waren? Will schob vorsichtig die Tür auf. Das zuckende, unruhige Licht fiel auf die zerstückelte Leiche eines Mannes, dessen abgetrennter Kopf auf dem Boden lag: Patrick, der Souschef des Bon Goût!
    Will bemerkte ein goldenes Schimmern, das unmittelbar aus den Wänden der Kammer drang und ihn magisch anzog. Gegen alle Widerstände seines Verstands setzte er einen Fuß über die Schwelle und trat ein, wobei er darauf achtete, nicht in die Blutlache zu treten. Es war ihm nicht möglich, sich gegen die Faszination zur Wehr zu setzen, die ihn lockte. In den Fugen und Ritzen zwischen den Steinen glühte es, als brenne auf der anderen Seite ein Feuer. Die Wärme brachte ihn zum Schwitzen; und mit dem Schweiß, der in seinen Augen brannte, kam die Erkenntnis: Das alles war wirklich real!
    In der Mitte der sechseckigen Kammer stand eine Vitrine aus Glas, die ihn unangenehm an einen Kindersarg erinnerte; ihre einzelnen Segmente waren mit dicken Bleigraten miteinander verbunden. Will umkreiste sie atemlos. In der Mitte gab es ein kleines Podest, das mit schwarzem Samt eingekleidet war.
    Und was immer sich dort befunden hatte, war nicht mehr da.
    Ein heiseres Raunen ließ ihn herumfahren. In den Steinen leuchteten Symbole auf, und es schien ihm, als würden sie von einem Unsichtbaren leise vorgelesen, auch wenn er kein Wort dieser Sprache verstand. Falls es überhaupt eine menschliche Sprache

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