Blutportale
mehr mit ihnen. Sie sind meine Familie. Sie waren in sehr schlimmen Zeiten die Ersten, die an mich glaubten, und sie haben bis heute nicht damit aufgehört. Hoffe ich zumindest. Das werde ich so bald wie möglich bei einem Besuch herausfinden.« Sie grinste. »Um es so auszudrücken, dass du es verstehen kannst: Ich bin der schwarze Wolf unter den weißen.«
Will lachte. »Heißt es nicht Schaf?«
»Nein. Diese Nonnen sind keine Schafe, das kannst du mir glauben.«
»Flüche, Dämonen, Werwölfe, die für Nonnen in die Schlacht ziehen ...« Saskia schüttelte den Kopf. »Ich bin mitten in eine Welt geraten, die es eigentlich nicht geben kann.« »So darfst du das nicht sehen, ma chere. Die Welt war schon immer so. Aber dir bietet sich nun eine Möglichkeit, die Augen zu öffnen und zu sehen, was anderen verwehrt bleibt. Das Dunkel, den Schrecken ... aber auch all die Schönheit.«
Mit diesen Worten drehte sie sich um und schrieb eine weitere E-Mail.
Einen Moment lang sahen die beiden anderen sie sprachlos an. Dann nahm Will seinen leeren Becher und erhob sich. »Jemand noch einen Kaffee?« Die Frauen verneinten im Chor. »Gut. Bis gleich.«
Er ging die schmale Treppe aus Riffelblech ins Erdgeschoss hinab und steuerte auf die Kaffeemaschine zu, deren Benutzung im Preis fürs Surfen eingeschlossen war. Will hatte einen Vorwand gebraucht, um sich abzusetzen. Im Beisein von Saskia und Justine hatte er nicht mit Kapler telefonieren wollen; sie würden es sicherlich nicht gutheißen. Er plazierte den Becher unter dem Ausgießstutzen der vollautomatischen Maschine und drückte auf Moccachino, dabei nahm er sein Handy heraus und rief Kapler an, dessen Nummer er im Kurzwahlspeicher fand. Justine hatte die Nummern, die sie angerufen hatte, gelöscht. »Hallo, Herr Kommissar«, sagte er. »Hier ist Gul. Bei uns ist alles in Ordnung, wir wollten nur nicht ...« »Sind Sie noch bei Trost, Gul?«, wurde er sofort angeschrien.
»Wieso sind Sie und Lange abgehauen? Wie kommen Sie dazu, mit einem gestohlenen Jeep durch die Gegend zu fahren, und wer ist diese Frau bei Ihnen, die meinen Beamten niedergeschlagen hat?«
Will bereute sofort, dass er angerufen hatte. »Das ist ein bisschen komplizierter ...« »Sie sagen mir sofort, wo Sie stecken, und ich schicke Ihnen einen Wagen. Sie warten dort, Herr Gul«, brüllte Kapler. »Wenn Sie sich noch ein einziges Mal absetzen, ohne mir Bescheid zu sagen, lasse ich Sie zur Fahndung ausschreiben, haben Sie das verstanden?« »Ja, aber...«
»Kein Aber, Gul«, plärrte es aus dem Lautsprecher. »Ich habe zwei Vorgesetzte, die mir wegen Ihnen die Hölle heißmachen. Ich habe immer noch zweihundert Leichen und eine Handvoll vermisster Personen, die nach und nach in den Kofferräumen von gestohlenen Wagen auftauchen. Seit neustem gibt es noch einen Koffer voller Geld, den wir bei Ihrem Freund gefunden haben. Sie, Herr Gul, und Frau Lange sind derzeit meine einzigen Zeugen in dieser ganzen Scheiße! Dass die Leute, die das Massaker angerichtet haben, Sie umbringen wollen, muss ich nicht noch mal betonen.«
Will konnte sich gut vorstellen, wie Kapler gerade tobend in seinem Büro herumsprang. »Ich verstehe, dass Sie aufgebracht sind«, versuchte er den Beamten zu beruhigen, »doch gestatten Sie mir...«
»Gar nichts, hören Sie? Gar nichts gestatte ich Ihnen noch, bevor Sie nicht Ihre Aussage gemacht haben!« Er sprach kurz mit jemand anderem und knarzte Will dann an: »Wo sind Sie?«
Er wusste, dass er sich Kapler nicht stellen konnte. Die Polizei hatte kein Dezernat für Straftaten, die dem Übersinnlichen zuzuordnen waren. Jede Minute, die er und Saskia im Verhörraum saßen, war eine verlorene Minute bei der Jagd auf des Rätsels Lösung.
Plötzlich erklang der Klingelton des Satellitentelefons. »Wir kommen, wenn wir ein paar Dinge erledigt haben«, versprach er nervös. »Herr Kapler, ich muss los.« »Unterstehen Sie sich und ...«
Will drückte das Gespräch weg, aber sofort darauf verstummte das Satellitentelefon. Auch ein Rückruf brachte kein Ergebnis. Hatte der Sir ihm auf diese Weise nur zeigen wollen, dass es ihn noch gab?
Der Kaffeeautomat gab ein elektrisches Geräusch von sich, und dann rieselte so viel weißes Pulver in Wills Becher, dass er überlief. »Was ist denn ...?« Er blickte zur Aufsicht. »Kommen Sie, bitte? Ich glaube, hier ist etwas kaputt.«
Der junge Mann von höchstens zwanzig Jahren sah von seinem Computerheft auf. Er trug schwarze Jeans und ein
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