Blutprinz (German Edition)
der Kälte und der dunklen Seele des Assassinen hatte er mit Natalies Entführung seinen eigenen Untergang besiegelt.
„James Graham“, sagte Gerald. Seine Schergen umzingelten ihn.
„Der bin ich.“ Er machte keine Anstalten aufzustehen.
„Ihr werdet des Hochverrats beschuldigt.“
„Tatsächlich?“ Mit ruhiger Hand stieß er die kleine Schaufel in die Erde, hob ein kleines Loch aus, in dem er den Setzling pflanzte.
„Ich fordere Euch auf, mitzukommen. Euer Fall wird vor dem Gericht des Rates behandelt werden.“
Er hatte Geralds Stimme noch nie gemocht. Egal ob er in Englisch oder Deutsch sprach, jedes seiner Worte wurde von einem französischen Akzent entstellt. James stand auf, klopfte die Erdreste von seinen Händen und folgte Gerald ohne Widerstand.
31.
London, 25. Juni 2007
M it schnellen Schritten eilte André den Korridor des Kerkers entlang. Gerald wartete am Ende des Ganges vor einer Gefängnistür auf ihn.
„Wie geht es Natalie?“, fragte Gerald.
„Sie liegt noch im Vampirschlaf, aber ihr Körper hat das Schlimmste überstanden. Ich hab sie zu meinem Vater gebracht.“ Andrés Blick fiel auf die massive Eisentür. „Wo habt ihr ihn aufgegriffen?“
„Auf einem Friedhof. Er pflegte das Grab seiner Frau.“
„Ich denke, wir haben damals falsch entschieden.“
Gerald stimmte ihm zu. André schloss die Tür auf und betrat die beleuchtete Zelle. James Graham saß zusammengekauert in der Ecke. Er hatte die Beine angewinkelt und seine Augen waren auf den kalten Beton gerichtet.
„Erinnert ihr Euch noch an unser erstes Gespräch, James Graham, oder soll ich Euch Zacharias nennen?“
Der alte Mann würdigte André keines Blickes.
„Ihr habt tatsächlich ein Feuer entfacht und unsere Gemeinschaft damit in große Gefahr gebracht.“ André sank auf einen Stuhl. „Aber ich kenne nun auch Eure Motive und kann verstehen, was Euch dazu trieb.“
James Graham hob seinen Kopf. André schaute in blutrote Pupillen. „So … könnt Ihr das?“
„Ihr habt aus Rache gehandelt. Rache für ein Urteil, das der Rat aufgrund unserer Gesetze fällte. Vielleicht war dieses Urteil falsch und dafür entschuldige ich mich bei Euch, James Graham.“
„Und nun erwartet Ihr für Eure Entschuldigung die Absolution von mir?“ Sein Lachen war ein abfälliges Schnauben. „Ihr seid für mich nicht mehr, als ein hochmütiger Reinblüter, Blutprinz. Ihr beschuldigt mich des Hochverrates und doch seid Ihr es, der sein Volk um seine Rechte betrügt. Wir sind Vampire und keine Ratten, die sich in der Finsternis vor den Menschen verstecken sollten.“
„Ich erwarte keinen Ablass“, entgegnete André und ignorierte Grahams Herabwürdigung. „Ihr sollt wissen, dass ich Euch für Natalie Adam dankbar bin. Doch weder das noch Eure Motive entbinden Euch von der Strafe, die der Rat über Euch verhängen wird.“ Mit diesen Worten stand André auf und überließ Zacharias seinem Schicksal.
32.
Bratislava, 30. Juni 2007
N atalie erwachte mit fremdartigen Gefühlen. Sie lag in einem weichen Bett, umgeben von hohen Wänden und verdunkelten Fenstern. Obwohl der Raum von Finsternis durchflutet wurde, konnte sie dennoch jedes Möbelstück und jede noch so kleine Verzierung an der Wand erkennen. Nicht nur ihre Augen, auch ihre anderen Sinne arbeiteten mit ungewohnter Schärfe.
Sie spürte jeden Luftzug, jede Unebenheit des Bettes, während ihre Nase die Gerüche in ihre einzelnen Duftnuancen zerlegte. Sie hörte Stimmen, Schritte und die Geräusche des fernen Straßenlärms.
Wider Erwarten und jeder Legende zum Trotz schlug ihr Herz in ihrer Brust, pumpte Leben durch ihre Adern. Auf ihrer Zunge lag salziger Geschmack und ihre Kehle fühlte sich wie ein rauer Stein an. Sie verspürte unsäglichen Durst, wie nach einer langen Wanderung durch brütende Hitze. Es kostete Kraft, sich im Bett aufzusetzen. Zwar war sie wach und bei Sinnen, doch ihr Körper fühlte sich schwach an, ausgemergelt.
„Du hast fünf Tage geschlafen.“
Trotz ihres Scharfblicks sah Natalie André erst in dem Moment, als er sich aus der Ecke des Raumes bewegte und neben das Bett trat. Seine Hände berührten ihre Stirn, so wie ihr Vater es in ihrem Traum getan hatte. Er setzte sich an den Bettrand.
„Wie fühlst du dich?“
„Als wäre ich einen Marathon gelaufen“, sagte sie. „Ich habe schrecklichen Durst. Würdest du mir bitte ein Glas Wasser bringen?“
André schüttelte den Kopf. „Diesen Durst kann kein Wasser auf
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