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Blutprinz (German Edition)

Blutprinz (German Edition)

Titel: Blutprinz (German Edition)
Autoren: J.K. Brandon , Liz Brandon
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dem Kreis. Sie trugen Tonkrüge, die sie unter die Öffnungen der Marmorrinnen stellten und sie übergaben André, der am Kopfende der Liege stand, einen goldenen Kelch und einen Dolch.
    „Hast du Angst?“, fragte er sie.
    Natalie nickte verhalten.
    André strich über ihre Stirn. „Bist du dir wirklich sicher?“
    „Ich habe mich entschieden“, sagte sie mit entschlossener Stimme.
    Sie fühlte ein Brennen, als Gerald jeweils eine Nadel in die Venen ihrer Handgelenke schob. Natalie presste den Kopf in die Polsterung, spürte das Blut und ein kaltes Kribbeln, wie von Tausenden Spinnenbeinchen, die über die Arme krochen.
    Andrés Miene war hart und konzentriert. Er beobachtete jede Bewegung, jeden Atemzug und Wimpernschlag. Als schmales Rinnsal floss ihr Blut über die Marmorrinne, tiefrot wie französischer Wein.
    Die Tongefäße füllten sich langsam. André wechselte einen Blick mit Gerald und reichte ihm den Kelch. André bückte sich und übergab Gerald das goldene Gefäß. Der Aderlass machte sie müde, als ströme mit dem Blut auch das Leben aus ihren Venen. Höchstwahrscheinlich war dem auch so. Ein Anflug von Panik schwappte über sie. Sie versuchte, ruhiger zu atmen. Ein nebelartiger Schleier ließ ihren Blick verschwimmen. Sie hörte Meeresrauschen und die verzerrten Stimmen eines Chors, der ein monotones Lied anstimmte. Der Klang zog Natalie in den Bann, wie die Stimme eines Hypnotiseurs.
    Sie hatte die Augen geschlossen, hörte nur noch das Rauschen. Ihr Körper war schwerelos und ihr Geist schwebte auf einer Ebene zwischen Leben und Tod.
    Jemand berührte ihren Mund, öffnete ihre Lippen. Selbst wenn sie es gewollt hätte, ihr Körper hatte nicht mehr die Kraft sich zu wehren. Etwas Warmes, Salziges floss in ihren Mund, weich und dickflüssig wie Fruchtsaft. Sie schluckte und spürte, wie die Flüssigkeit die Kehle hinunter lief. Ein Brennen begann in ihrem Bauch zu wüten und sich über die Adern im ganzen Körper auszubreiten. Sie rang nach Atem, der brennende Schmerz kroch über ihren Hals, lähmte ihr Gesicht und explodierte in ihren Schläfen.
    Eine unsichtbare Hand wollte sie aus ihrem Körper reißen. Hitze und Kälte schwappten über sie hinweg, während die Anspannung in ihr wuchs und jeder Muskel bis zum Zerplatzen angespannt war.
    Ihr Herz machte noch zwei, drei Schläge, dann blieb es plötzlich stehen. Die Anspannung fiel von ihr ab und es war eine seltsame Empfindung in einem klinisch toten Körper gefangen zu sein. Der Moment erstreckte sich endlos und Natalies Geist stürzte schließlich in einen Strudel aus schwarzem Nichts.
    Der schwarze Strudel zog Natalie weiter in die Tiefe. Sie fiel durch eine Decke aus Nebel und plötzlich lag sie auf dem Boden ihres Kinderzimmers, umgeben von Wänden in hellen Pastellfarben, warmen Sonnenstrahlen, die durch die penibel geputzten Scheiben auf den weichen Teppichboden fielen.
    Über den Boden verteilt lagen Kartonbögen, Stifte, Stoffreste, Lineale und Schuhschachteln, die Natalie in ihrer Kindheit immer benutzt hatte, um sie zu kleinen Wohnungen umzubauen.
    Verwirrt hob Natalie den Kopf und blickte sich um. Sie konnte die Faser des Teppichs spüren, den glatten Holzrahmen des Bettes und den kantigen Griff der Buntstifte.
    Sie setzte sich auf, betrachtete ihre Hände und ihren Körper, der geschrumpft war. Im Spiegel des Kleiderschrankes blickte sie in das Gesicht eines kleinen Mädchens, dem einige Zähne im Mund fehlten. Ihre Haare waren zu Zöpfen gebunden und ihre Nase war voller Sommersprossen. Natalie stand auf, strich über ihren Pullover, auf dem Minimaus abgebildet war, und über die Jeans. Zwar hatte Natalie schon oft von ihrer Kindheit geträumt, doch noch nie war ihr ein Traum so wirklich erschienen und sie überlegte, ob sie die Verwandlung vielleicht nicht überlebt hatte und das hier das Jenseits war.
    Natalie stieg über Stifte und die winzigen, handgefertigten Kartonmöbel zum Schrank. Ihre Finger berührten das kalte Glas. Sie schnitt Grimassen, so wie sie es als Kind immer getan hatte, schob die Zunge durch ihre Zahnlücken und spürte die Spitzen scharfer Eckzähne, an die sie sich beim besten Willen nicht erinnern konnte, sie in ihrer Kindheit besessen zu haben. Sie öffnete den Mund wie ein brüllender Löwe und betrachtete die zierlichen Fänge.
    War es doch nur ein Traum?
    Von Neugierde gepackt trat sie an die Balkontür. Sie schaute durch die Glasscheibe hinunter in den bepflegten Garten des Münchner Vorstadthauses,
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