Blutrausch
Tabakkrümel klebt an meiner Zunge. Ich spucke ihn auf den Boden.
– Brauchst du Telefonnummern? Mailadressen?
– Ja.
Ich suche einen Stift, und sie leiert eine Reihe von Nummern und Adressen herunter. Ich male eine Reihe von Kästchen auf meinen Notizblock. Eines ins andere.
– Gibt’s noch eine Alternative?
– Kommt drauf an.
– Auf was?
– Ob dein Freund Kohle hat.
– Wieso?
– Es gibt einen Schwarzmarkt für Medikamente. Wenn du flüssig bist, kannst du alles kriegen. Auch experimentelle Sachen, die noch gar nicht zugelassen sind.
– Leider nein. Keine Kohle.
– Hm. Also...
– Ja?
– Du könntest das Mädchen um Geld bitten.
Das Mädchen.
– Nein.
– Sie würde es dir geben. Das Mädchen würde dir alles geben, was du brauchst. Das weißt du.
– Nicht das Mädchen.
– Sela sagt, dass sie ständig nach dir fragt.
Ich betrachte das Ende meiner Zigarette. Die Glut frisst langsam das kleine LUCKY, das auf das Papier gedruckt ist.
– Sie redet noch mit Sela?
– Die ganze Zeit. Sie ist so was wie ihr Privattrainer. Das Mädchen hat sie dazu gebracht, zu ihr zu ziehen. Sie wollte sie in ihrer Nähe haben.
– Aber sie wohnt auf Koalitionsgebiet.
– Ich weiß. Sela hat ihre Mitgliedschaft in der Society aufgegeben.
– Aufgegeben?
– Musste sie. Sonst hätte sie als Unabhängige dort sein müssen, und du kennst ja die Koalition. Sie dulden keine Fremden auf ihrem Territorium. Also gehört sie jetzt zur Koalition.
– Himmel.
– Sie liebt das Mädchen, verstehst du? Nur so konnte sie bei ihr bleiben. Sie ist der Koalition beigetreten, um sie weiter beschützen zu können.
– Terry muss an die Decke gegangen sein.
Sie lacht.
– Du hättest erst mal Tom sehen sollen.
– Tom kann mich mal.
– Er ist ein Scheißfaschist.
– Ihr beide kommt wohl immer noch nicht miteinander klar?
– Geht ja wohl nicht nur mir so. Hab gehört, du hast Terry besucht?
– Ja.
– Ohne Termin.
– Stimmt.
– Jetzt überleg mal, wie das mit den Terminen bei den anderen Mitgliedern ankommt. Früher konnte jeder an Terrys Tür klopfen. Wenn du mit ihm reden wolltest, hatte er immer ein offenes Ohr. Das war Teil seiner Anziehungskraft. Und der Grund, warum so viele von uns ihm vertraut haben. Jetzt will Tom, dass jeder Kontakt mit Terry ausschließlich über ihn läuft. Das sorgt für böses Blut.
– Und warum werft ihr ihn nicht einfach raus?
– Er hat Leute, die ihn unterstützen. Jüngere Mitglieder, größtenteils Männer. Machos mit Vorstellungen von einer starken und unabhängigen Society.
– Jüngere Mitglieder. Scheint ja ziemlich viele davon zu geben in letzter Zeit.
Ich warte, dass sie etwas sagt. Ein klickendes Geräusch ertönt, als würde sie mit den Vorderzähnen an ihrem Daumennagel herumknabbern. Das Geräusch verstummt.
– Jetzt kommen wir aber vom Thema ab, Pitt.
– Wollte ja nur sagen, dass ziemlich viele Frischlinge unterwegs sind.
– Ist mir nicht aufgefallen. Also, du hast einen Freund, der krank ist und Hilfe braucht. Da kann ich dir gerne helfen, dafür bin ich ja da. Aber die Politik der Society diskutiere ich nicht mit Außenstehenden.
– Wollte ja nur plaudern.
– Ich weiß genau, was du im Schilde führst. Ich hab dir einmal geholfen und mich dabei nicht unbedingt an die Regeln gehalten, aber komm ja nicht auf die Idee, ich würde nicht an meine Sache glauben. Ich bin durch und durch Society, Pitt. Verstanden?
– Klar.
– Gut. Soll ich Sela mal fragen, ob sie mit dem Mädchen redet?
– Nein.
– Geht mich ja nichts an, aber wenn du einen HIV-positiven Kumpel hast, dann ist Geld nie verkehrt. Das Mädchen wäre froh, wenn sie dir einen Gefallen tun könnte. Das ist nicht der richtige Moment für falschen Stolz, Joe.
– Danke für den Rat, Lydia.
– Keine Ursache. Ich finde, wenn du deinem Kumpel helfen willst, dann tu es auch.
– Danke auch für die Nummern. Hast einen gut.
– Klar. Wie du meinst, Pitt.
Lydia ist schon in Ordnung. Klar, sie ist voll auf die Society reingefallen und eine politisch korrekte Kampflesbe auf einem Kreuzzug, der einem manchmal schwer auf die Eier gehen kann. Aber sie ist in Ordnung. Sie hat mir letztes Jahr geholfen, als ich mit der Koalition Stress hatte. Bei der Sache mit dem Mädchen. Dem Mädchen und ihrem kranken Arschloch von Vater und...
Darüber sollte ich nicht nachdenken. Denn sobald ich es tue, fällt mir sofort das Ding wieder ein, das den Vater des Mädchens geholt hat. Das Ding,
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