Blutrausch
auf, ein Muskel zuckt, ansonsten starren sie mit leeren Augen an die Decke.
Der Graf geht von einer zur anderen und überprüft ihren Puls. Zufrieden sieht er mich an.
– Was weißt du über Blut?
– Es schmeckt gut.
Er holt die letzte Spritze aus der sterilen Verpackung.
– Was weißt du über das Vyrus?
– Schmeckt beschissen.
Er krempelt sich einen Ärmel hoch.
– Genau das erzählt man sich allgemein. Ich bin Medizinstudent, okay? Was einen Scheißdreck bedeutet. Mein Alter ist Arzt, und er und meine Mutter wollten, dass ich auch einer werde. Ich hab meinen Aufnahmetest ganz gut bestanden und als Hauptfach Biologie gewählt und gehe in alle Kurse, in die ich gehen muss. Was nicht heißt, dass ich besonders gut in meinem Fach bin.
– Wenn du das sagst.
– Doch, Bruder, glaub mir, so ist es. Und dann hat’s mich erwischt, und das Erste, was sie einem erzählen, ist, dass das Vyrus ohne seinen Wirtskörper nicht überleben kann.
Er hebt den noch über die Hälfte gefüllten Infusionsbeutel auf.
– Aber hier ist es.
Er hält sich den Beutel mit einem Gesichtsausdruck unter die Nase, als würde er an einem Stück wirklich, wirklich stinkendem Käse schnuppern.
– Und es lebt da drin.
– Wie?
– Keine Ahnung. Auf jeden Fall nicht besonders lange.
Er steckt die Nadel in das Ventil.
– Sobald wir das Zeug haben, müssen wir es uns sofort schießen. Wenn das Vyrus stirbt, ist der Ofen aus. Also, eine ganz einfache Rechnung: Zieh alles Überflüssige ab, und was in dem Zeug bringt den echten Kick? Das Vyrus.
Er zieht die Spritze mit Blut auf.
– Aber man muss aufpassen. Wenn man zu viel erwischt, dreht man komplett durch. Und wenn das Vyrus vorher abnippelt, wird’s dir speiübel. Oder schlimmer. Wahrscheinlich hat sich irgendjemand ein Konservierungsmittel ausgedacht, einen Stoff, der das Vyrus eine gewisse Zeit lang am Leben erhält. Wie sie dann draufgekommen sind, sich das Zeug probeweise in die Arme zu spritzen, ist mir schleierhaft. Aber ich bin froh, dass sie’s getan haben.
– Woher hast du das?
– Von ’nem Typen.
– Welchem Typen?
Schneewittchen scheint langsam aus ihrem Tran zu erwachen. Sie streckt sich, reibt sich das Gesicht und berührt ihre Haut. Der Graf geht in die Küche und kommt mit einer Wasserflasche zurück. Er stützt ihren Kopf, und sie nimmt einen winzigen Schluck. Sie war etwa eine halbe Stunde außer Gefecht.
– Welcher Typ?
Er drückt seine Finger gegen Schneewittchens Lippen, die einen Kuss darauf setzt. Dann knufft er sie liebevoll gegen ihr Kinn und setzt sich wieder auf die Couch.
– Pass mal auf, Bruder. Dieses Zeug hier ist erste Sahne.
Er hält mir die Spritze hin.
– Es ist das Beste. Glaub mir, du hast keine Ahnung. Unsere Connection ist stabil, aber es ist eben nur eine Connection. Ich hab nur eine Pagernummer. Entweder ruft er mich zurück oder nicht. Und wenn er das tut, bedeutet das, er hat was am Start und schickt einen Kurier rüber. Irgendeinen Kerl, der gar nicht weiß, was er da mit sich rumschleppt. Die Kuriere sind Zivilisten, Uninfizierte, nicht mal Renfields. Sie glauben, sie fahren Dope durch die Gegend. Und es ist immer ein anderer Kerl.
– Wie bist du an die Connection gekommen?
Er säubert seinen Arm mit einem alkoholgetränkten Wattebäuschchen.
– Eigentlich ist diese ganze Sterilisation überflüssig. Nicht, dass uns was passieren könnte, oder? Kommt nur irgendwie cool. So eine Art Ritual.
– Die Connection.
Er hebt den Schlauch auf.
– Hab ich von einem anderen Frischling. Hör mal, können wir nicht später drüber reden?
Er schlägt sich gegen den Arm.
– Hab gehört, du warst gestern im Doc’s, Bruder.
– Und?
– Ich hab gehört, da ist einer durchgeknallt. Einer von den Frischlingen.
– Ja.
– Warst du dabei?
– Ja.
– Der hatte wahrscheinlich eine Überdosis. Oder hat so lange gewartet, bis das Vyrus tot war.
– Und weiter?
– Na ja, das war der Typ, der mir die Connection vermittelt hat.
Er hält sich die Spitze der Nadel an die Vene.
– Ich will ja kein schlechter Gastgeber sein, aber ich werd mir jetzt gleich das Zeug reinpfeifen. Bleib einfach hier. Die Mädels werden schon irgendwann wieder wach werden und sich um dich kümmern. Kannst sozusagen mit eigenen Augen sehen, worum’s hier geht.
Ich sehe auf die Uhr. Wenn ich noch länger bleibe, sitze ich den ganzen Tag hier fest. Er drückt die Nadelspitze gegen die Haut. Ich packe ihn am Handgelenk.
– Hast du
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