Blutrausch
eine Treppe hinunter.
Digga redet mit den Rhinos.
– Kennt ihr den Penner?
– Hm.
– Setzt seinen Namen auf die Liste.
– Hm.
Der Lärm vieler Stimmen und irres Hundegebell schlägt uns entgegen. Es stinkt nach Schweiß, Chlor, Blut und dem Vyrus.
Es ist eine Riesenmeute. So viele von uns habe ich noch nie an einem Ort versammelt gesehen. Mindestens zweihundert haben sich in das alte Schwimmbad hier unten im Keller gequetscht. Zweihundert von uns. Als ich das Ende der Treppe erreiche, dreht sich jeder einzelne Kopf nach mir um. Im Raum herrscht plötzlich vollkommene Stille, bis auf das Bellen der Hunde, das von den gefliesten Wänden und der Decke widerhallt. Vor meinem inneren Auge erscheint eine lebhafte Vision, wie es wohl wäre, buchstäblich in Stücke gerissen zu werden. Dann taucht Digga hinter mir auf und legt mir eine Hand auf die Schulter.
– Hey, Leute. Der gehört zu mir.
Er behält die Hand auf meiner Schulter und schiebt mich durch die Menge auf das zu, was sich in ihrer Mitte befindet. Die Leute machen Platz. Mit seiner freien Hand stößt er gegen Fäuste, die man ihm entgegenhält, klopft auf Schultern und wechselt hier und da ein Wort mit den Frauen und Männern in der Menge. Es sind zum Großteil junge Hip-Hopper. Alle tragen irgendwo das Ecko-Rhinozeros am Körper. Kein Weißer ist unter ihnen.
Während wir uns einen Weg durch die Menge bahnen, flüstert Digga mir etwas ins Ohr.
– Scheiße, Motherfucker. Wenn ich gewusst hätte, dass ich damit so einen Auftritt hinlegen kann, hätte ich mir schon früher ein Weißbrot besorgt.
Wie nähern uns dem leeren Swimmingpool, der von einem über zwei Meter hohen Maschendrahtzaun umgeben ist. Das Bellen scheint aus dem Becken zu kommen. Er führt mich direkt zum Zaun. Die Zementwände des Beckens sind mit dem Kastanienbraun getrockneten Bluts bedeckt. Der Boden ist mit dem etwas helleren Farbton frisch vergossenen Lebenssafts getönt. Ein Mann schleppt einen Hundekadaver zum flacheren Ende des Beckens und reicht ihn an bereits wartende Hände weiter. Drei weitere Männer haben einen wütenden Pitbull mit Schaum vor dem Maul in die Ecke getrieben. Er versucht, sie zu beißen, und sie weichen ihm aus.
Digga schüttelt den Kopf und wendet sich an die Männer.
– Shit. Gebt dem Vieh die Kugel.
Einer der Männer winkt ihm zu, zieht eine Glock aus seiner weiten Hose und verpasst dem Köter eine Kugel. Sie durchschlägt den Hund und kracht in die Poolwand. Der Hund richtet sich wieder auf und fängt erneut an zu bellen.
Digga sieht zur Decke auf.
– Himmelherrgottnochmal! In den Kopf, Motherfucker! In seinen Scheißkopf!
Der Typ jagt dem Hund eine Kugel in den Kopf. Diesmal bleibt er liegen.
Die Menge nähert sich uns. Finger umklammern das Drahtgitter.
Auf einer Seite des Beckens sitzt ein Mann in einem hohen Bademeisterstuhl. Er trägt einen schwarzen Anzug, eine große Sonnenbrille, einen roten Fez und raucht eine Zigarette in einer langen Spitze aus Elfenbein. Eine Gruppe von Männern, die wie der Türsteher draußen gekleidet sind, drängt sich um den Stuhl. Digga winkt ihm zu.
– Papa! Was läuft?
Papa macht eine Geste mit der Zigarettenspitze.
Digga hebt den Arm und deutet auf meinen Kopf.
– Habt ihr alle meinen weißen Jungen gesehen?
Papa ignoriert ihn.
– Ist niedlich, oder? Willst du auch einen?
Alle ignorieren ihn.
– Nein? Na ja, Scheiße, kommen wir zur Hauptattraktion.
Die Menge um uns herum grölt.
Digga flüstert mir erneut was ins Ohr.
– Ziemlich dicke Luft hier, findest du nicht, Pitt? Spürst du die Feindseligkeit? Obwohl wir alle schwarz sind. Stell dir vor, was abgeht, wenn die Typen aus Washington Heights und Spanish Harlem auch noch hier sind. Latinos und Nigger zusammen, da fließt fast immer Blut. Obwohl wir auf derselben Seite stehen. Himmel, bin ich froh, dass ich nich’ weiß bin. Kannst du dir vorstellen, was sie mit dir anstellen würden, wenn ich nicht dabei wäre? Ach Scheiße, du wirst’s gleich rausfinden. Guck mal.
Er deutet auf das gegenüberliegende Ende des Beckens, wo gerade weitere Hunde in die Arena gebracht werden. Ein Mann wird von den Stufen geworfen. Er rutscht auf dem vom Blut glitschigen Boden aus. Ein paar Rhinos springen hinterher und stellen ihn wieder auf die Beine. Es ist der Schläger aus der U-Bahn.
– Hey, Pitt. Dein Kumpel.
Die Hunde werden zusammengetrieben. Ein Typ mit einer Kühlbox taucht auf. Er öffnet sie und nimmt einen Blutbeutel und drei
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