Blutrausch
herüber.
– In maßvollen Dosen genossen kann Anathema durchaus einen beglückenden Zustand hervorrufen. Größere Mengen bereiten jedoch unsägliche Schmerzen und können sogar tödlich sein.
Sie reicht einem der Jungs den Beutel aus ihrer Hand.
– Es braucht eine erfahrene und ruhige Hand, um eine Dosis zu verabreichen, die diese Schmerzen hervorruft, ohne das Opfer versehentlich umzubringen.
Er zieht das Anathema auf eine Spritze auf.
– Richtig abgemessen jedoch lässt es sich mit der brutalsten, grausamsten Folter vergleichen, die man sich nur vorstellen kann.
Sie hebt einen Finger. Der Junge hört auf, die Spritze zu füllen.
Sie deutet darauf.
– Meiner Erfahrung nach sollte diese Menge die ideale Dosis für Sie darstellen. Wenn ich sie Ihnen injiziere, wird sich jeder Muskel in Ihrem Körper entspannen und Wärme ausstrahlen. Wahrscheinlich werden Sie in Schweiß ausbrechen. Die Sorgen des Alltags verlieren ihre Bedeutung. Nie gehörte Musik wird in Ihren Ohren erklingen. Bilder werden auf Ihren Augenlidern tanzen, Formen und Farben. Sie werden Fantasien und handfeste Halluzinationen erleben. Diese Eindrücke werden von allen, die Anathema genießen, geteilt. Visionen, von denen manche behaupten, dass sie die spirituelle Natur des Vyrus beweisen. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die diese Auffassung vertreten. Wie steht es mit Ihnen, Mr. Pitt?
Sie setzt sich wieder ihre Brille auf.
– Ich habe erfahren, dass Sie Kontakt zu Daniel und seinen Anhängern haben. Gehören Sie zu ihm? Ich habe schon lange vermutet, dass Daniels Interessen nicht so weltabgewandt sind, wie er immer behauptet. Es würde mich nicht überraschen, wenn Sie in Wahrheit sein Spion wären. Predo und Bird spannen Sie für ihre Zwecke ein, doch die ganze Zeit über sind Sie ein Instrument der Enklave? Durchaus vorstellbar. Möglicherweise sind Sie sich dessen nicht einmal bewusst. Daniel ist durchtrieben. Würden Sie gerne diese Visionen erleben, Mr. Pitt? Dem Vyrus eine tiefere Bedeutung abgewinnen? Sie sind lange genug damit infiziert, um Fragen zu stellen, nicht wahr? Die ersten Jahre nach der Infektion verbringt man damit, sich an dieses Leben zu gewöhnen, zu entscheiden, ob man es überhaupt leben will. Die nächsten Jahre dienen dem Studium gewisser Überlebenstechniken. Man lernt, sich anzupassen, als Infizierter dauerhaft in der Welt der Uninfizierten zu leben. Dann schließlich, vorausgesetzt man bringt die nötige Ausdauer, Gewitztheit und Erfahrung mit, beginnt man, sich Fragen zu stellen. Was ist das Vyrus? Wer sind die Vampyre? Wie lange gibt es uns schon? Wie wurden die Clans gebildet? Gibt es noch mehr von uns auf der Welt? Und wie viele? Leben sie alle so wie wir? Und, natürlich: Wer bin ich überhaupt?
Sie setzt die Brille ab und deutet auf die Spritze in der Hand des Jungen.
– Vielleicht finden Sie darin die Antworten. Natürlich werden Sie einen Preis dafür bezahlen müssen. Wenn Sie von meiner Couch aufstehen, werden Sie eine neue Art des Hungers verspüren. Sie werden sehen, dass Sie nur allzu schnell von Ihrer gewohnten Weise zu jagen abkommen. Sollen Sie das Blut Ihrer Opfer trinken? Oder es einem anderen Vampyr geben, der es für Sie infiziert? Sie können Blut, das Sie mit dem eigenen Vyrus versetzt haben, nicht als Anathema verwenden. Es würde Sie krank machen. Und wenn Sie es mit dem Blut eines anderen Vampyrs infizieren, so funktioniert auch das jeweils nur ein oder zwei Mal. Sie sehen, diese Sucht verkompliziert Ihre Situation zusehends.
Sie deutet wieder auf den Jungen. Er zieht am Ende der Spritze. Dann hebt sie den Finger. Er hält inne.
– Diese Menge hier wird Ihnen Visionen schenken. Große, aber sehr unangenehme Erkenntnisse. Statt Wärme und Entspannung werden Sie Muskelkrämpfe von einer Heftigkeit heimsuchen, die Ihre Sehnen zerreißen lassen. Fieber und Schmerzen in den Knochen werden folgen. Sonderbar, nicht wahr? Wenn es vorbei ist, werden Sie mit einer Abhängigkeit zurückbleiben, die sehr hohe Dosen verlangt. Eine Abhängigkeit, die mit Ihrem Ruin enden wird.
Sie bewegt den Finger. Mehr Blut fließt in die Spritze.
– Mit dieser Menge wird die ganze Sache einfacher. Unbeschreibliche Schmerzen. Entsetzliche Wahnvorstellungen. Blut, das gegen sich selbst zu Felde zieht. Ein langsamer, unausweichlicher Tod.
Der Junge zieht die Spritze aus dem Beutel und wischt die Nadel ab. Dann reicht er sie Vandewater.
Sie nimmt sie ihm aus der Hand.
– Predo will Sie. Das ist mir
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