Blutrausch
studiere den Plan des Gesamtnetzes. Ein Durcheinander aus geschlängelten blauen, orangefarbenen, gelben, roten und grünen Strichen. Hoffnungslos. Aber das ist nicht so schlimm, ich kenne mich aus und weiß, welche Linie ich nehmen muss. In meinem Kopf gehe ich die Route der A durch. Sie verläuft über die 59th, 42nd und 34th bis zur 14th. Dann schnuppere ich noch mal. Die Luft ist rein, zumindest, was das Vyrus angeht. Wenn mich die ton tons macoute schnappen wollen, müssen sie es jetzt tun, in dieser Station. Vielleicht versuchen sie es auch im Zug, schleichen sich im Gedränge an mich ran und... Aber was können sie in einem vollbesetzten Zug schon groß unternehmen? Nichts. Nichts, das nicht Aufsehen erregen würde. Also entweder jetzt oder nie.
Außer.
Außer Papa hat einen Deal mit Predo. Percy meinte, dass Papa mit ihm Geschäfte macht und eventuell auf seiner Gehaltsliste steht. Im schlimmsten Fall könnten mir die ton tons bis ins Koalitionsgebiet folgen. Und nach der 110th zeigen sie sich dann, drängen mich aus dem Zug und direkt in die Arme von Predos Männern.
Ein Windzug pfeift durch den Bahnsteig. Die einfahrende U-Bahn wirbelt die abgestandene Luft auf. Scheißsituation. Ich sollte nicht hier unten sein. Wie wäre es, sich in einer Kneipe zu verstecken, einen Limousinenservice anzurufen und einen Wagen mit getönten Scheiben anzufordern? Klar, in einer Kneipe mitten im Hood auf ein Auto warten. Echte Scheißidee. Taxi? Staus, durchsichtige Fensterscheiben. Entschuldigung, Herr Fahrer, könnten Sie bitte nur im Schatten fahren? Ich zahle auch den Extratarif. Läuft nicht. Ein Bus? Himmelarsch, was kommen mir denn für Ideen? Nein, es gibt keine Alternative zur U-Bahn. Entweder das, oder ich nehme Diggas Angebot an und lasse mir von ihm helfen. Leider gibt es schon genug Leute, denen ich einen Gefallen schulde. Ich brauche nicht noch einen, der mich jederzeit anrufen kann, wenn er einen Drecksjob zu erledigen hat.
Die Bahn hält quietschend an. Die Leute drängen sich vor den Türen und starren diejenigen an, die im Inneren zusammengequetscht vor den Türen warten. Sie begutachten sich gegenseitig, da sie sich gleich um jeden verfügbaren Platz streiten müssen. Die Türen öffnen sich, die Lautsprecher knistern, und es kommt zu einem kurzen Massen-Freistilringen, als die Leute im Zug und die auf dem Bahnsteig die Plätze tauschen. Ich warte bis zum letzen Moment, halte nach einer bisher nicht einkalkulierten Gefahr Ausschau und zwänge mich dann ins Abteil.
Die Türen schließen sich, und der Zug fährt ruckelnd an. Ich schnuppere prüfend. Hier drin scheint so weit alles in Ordnung. Der Zustand meiner Augen wird jetzt schnell besser, und ich kann fast wieder klar sehen. Ich blicke mich um und entdecke ein Hinweisschild, das das Gedränge auf dem Bahnsteig erklärt. Die Linien B und C sind ausgefallen, und die Expresszüge übernehmen den lokalen Verkehr. Das heißt, dass dieser Zug an jeder einzelnen Station anhalten wird. So dauert die Fahrt eine verfluchte Ewigkeit.
Im Bummelzug durch die Hölle. Und ich habe nicht mal Zigaretten dabei. Aber hier unten darf man ja sowieso nicht rauchen.
Anhalten, weiterfahren, mitten im Tunnel einen Stopp einlegen, auf ein Signal warten, wieder losrollen. Das Ganze dauert wirklich eine gottverdammte, beschissene Ewigkeit. 116th: Ein Student mit einem Skizzenblock auf dem Schoß zeichnet die Personen, die ihm gegenübersitzen, aber nur ihre Füße. 110th: letzte Haltestelle im Hood. Noch mehr Leute steigen ein und aus, aber keine Spur von den ton tons macoute . 96th: Koalitionsgebiet. Ein Typ geht den Mittelgang entlang und bietet ein Sortiment von Duracell-Batterien zum Verkauf. Batterien nur einen Dollar, Batterien nur einen Dollar, Batterien nur einen Dollar, sagt er wie ein Mantra vor sich her. Keine Koalitionsspitzel. 81st: Ein DJ und seine Crew kommen von einem Auftritt nach Hause. Sie schubsen sich gegenseitig herum und versuchen, Eindruck auf das süße Mädchen in ihrer Mitte zu machen. 72nd: Aus dem Lautsprecher dringt endlos die quäkende Nachricht, dass dieser Zug außerplanmäßig jede Haltestelle anfährt. 59th: Ein Obdachloser erinnert mich an den Renfield, der mich auf dem Hinweg entdeckt hat, aber er ist es nicht. 42nd: Ein Mann mit einem Babytragekorb vor der Brust steigt ein; die Augen des Babys wandern ständig zu mir herüber. 34th: Eine Frau, die mit einem Haufen Macy’s-Einkaufstüten bepackt ist. Als wir an der 23rd ankommen,
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