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Blutrausch

Blutrausch

Titel: Blutrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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hast?
    Er steckt die Hand in die Hosentasche und zieht ein Bündel Banknoten heraus.
    – Hier.
    Ich nehme das Geld.
    Nachdenklich leckt er sich über den Daumen und zählt einen weiteren dünnen Stapel Geldscheine ab.
    – Hier hast du noch mal tausend. Für deine Mühe.
    Ich nehme das Geld.
    Er steckt das Bündel wieder weg.
    – Eigentlich ist das Geld aus dem Fenster geworfen. Bis zum Sonnenuntergang wirst du ohnehin nicht durchhalten. Aber du hast’s dir ehrlich verdient. So kannst du die Kohle wenigstens ein bisschen mit dir rumtragen, bis sie deine Leiche fleddern. Die U-Bahn wird deinen Arsch nicht retten, Pitt. Jetzt am helllichten Tag haben sich da unten alle versammelt. Zwischen hier und der 14th werden sie dir die Hölle heiß machen.
    Ich öffne die Tür.
    – Geht nicht anders. Meine Freundin hasst es, versetzt zu werden.
    Ich steige aus dem Auto und trete ins helle Tageslicht.
     
    Es sind die direkten UV-Strahlen, die dich fertigmachen. Wenn sie auf deine unbedeckte Haut treffen, wirst du wie der Junge in Vandewaters Wohnung bei lebendigem Leib gekocht. Also zieh dir was über, bleib im Schatten, und mit etwas Glück kannst du’s schaffen. Weh tut’s trotzdem. Und je schmerzhafter, umso mehr gerät das Vyrus ans Limit. Aber halt dich bedeckt, und du hast eine Chance. Ich zum Beispiel bin viel zu gut geschützt, als dass die Sonnenstrahlen bleibende Schäden hinterlassen könnten. Ich müsste schon ohne Schatten in direktem Sonnenlicht mehrere Blocks gehen, bevor die UV-Strahlen durch die vielen Schichten meiner Kleidung dringen und mir ernsthaft etwas anhaben könnten.
    Und trotzdem.
    Sobald ich aus der Tiefgarage in den Schatten des Einkaufszentrums trete, kann ich es spüren. Die drückende Hitze. Wie in einem türkischen Bad. Ein türkisches Bad, das Krebs verursacht. Ich spüre die Hitze durch die Skimaske, die Handschuhe und durch jeden anderen Fetzen Kleidung an meinem Körper. Ich breche in Schweiß aus, der mir bald in Strömen herunterläuft. Mein Mund ist ausgetrocknet, und ich spüre eine Hitzewelle, die sich ihren Weg durch meine Innereien und mein Blut bahnt. Das Vyrus in mir windet sich, verwirrt, bedroht, bereit, mich und sich selbst zu töten, um die Sonne nicht ertragen zu müssen.
    Ich überquere die Straße zwischen den fahrenden Autos, damit ich nicht an der Ampel stehen und auf Grün warten muss. Ich erinnere mich daran, wie ich als sechzehnjähriger Ausreißer jeden Tag des Sommers im Tompkins-Square-Park verbracht habe. Wie ich sturzbetrunken und ohne Hemd auf dem dürren Gras eingeschlafen und mit einem so starken Sonnenbrand aufgewacht bin, dass ich förmlich vor Hitze gestrahlt habe. Das Mädchen, das ich für die Nacht abgeschleppt hatte, hielt ihre Hände ein paar Zentimeter von meinem Bauch entfernt, um sich zu wärmen. Ich schüttete mir eiskaltes Bier über die Brust. Über Tage hinweg löste sich die Haut ab. Ich zupfte daran herum, zog ganze Fetzen ab und brannte mit der Zigarettenspitze Löcher hinein, um meinen Kumpels mit dem Gestank auf die Nerven zu gehen. Als sich die Haut endlich komplett abgelöst hatte, war ich brauner als das vertrocknete Gras im Park. Im darauffolgenden Winter wurde ich infiziert.
    Ich starre auf den U-Bahn-Eingang vor mir. Irgendwo zwischen hier und der 14th werde ich draufgehen, ohne Zweifel. An der Treppe bleibe ich stehen.
    Ich sehe zum blauen Himmel hinauf.
    Und bezahle dafür mit brennenden Tränen und einem verschwommenen Blick.
    Fast blind taumle ich die Treppe in das dunkle Loch hinunter und verfluche mich dabei.
     
    Auf dem Bahnsteig drängen sich die Menschen. Mein Blick ist noch immer verschwommen, trotzdem halte ich nach Papas ton tons macoute Ausschau. Nichts.
    Ich nehme die Skimaske ab. Ist ja egal, ob jemand mein Gesicht sieht. Diejenigen, die mir Bauchschmerzen bereiten, können mich sowieso riechen.
    Ich stehe auf dem Bahnsteig, verlagere mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, wische mir die Tränen aus den Augen und versuche, wieder einigermaßen klare Sicht zu bekommen. Immer mehr Menschen strömen auf die Plattform. Ich lehne mich mit dem Rücken gegen eine der grünen Metallsäulen entlang der Gleise. Ich hole tief Luft und rieche die Ratten in den Schächten und die verschiedenen anderen unangenehmen Ausdünstungen einer U-Bahn-Station. Ich mustere die Gesichter, egal, ob jemand zurückstarrt. Das würde ich wegen dem Schleier vor meinen Augen sowieso nicht mitkriegen.
    Ich kneife die Augen zusammen und

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