Blutrausch
schimmelt. Ich stecke meine Dietriche und eine Extraschachtel Zigaretten ein. Optimistisch wie ich bin, hoffe ich, sie irgendwann wirklich noch alle aufrauchen zu können. Dann mache ich mich auf die Socken.
Die Wohnung des Grafen wiederzufinden, gelingt mir ohne Schwierigkeit. Ich könnte unten vor der Tür warten, bis jemand das Haus betritt, und mich hinter ihm reinschleichen. Aber Warten und Sonne passen nicht so recht zusammen. Also gehe ich in die El Iglesia de Dios nebenan.
Ich habe kein Problem mit Kirchen. Manche von uns schon. Sie machen ein Riesending aus ihrer Abneigung dagegen, weil sie glauben, das würde irgendwie dazugehören. Andere haben wirklich eine Heidenangst vor Gotteshäusern; all diejenigen, die ernsthaft glauben, wir wären verflucht. Sie sprechen es zwar nicht laut aus, sind aber insgeheim fest davon überzeugt. Solche Typen werden meist nicht besonders alt. Wer kann schon lange überleben mit der Überzeugung, dass seine unsterbliche Seele für immer und ewig verdammt ist? Obwohl es auch ein paar Freaks gibt, für die das der Pfad der Wahrheit und der Erleuchtung ist. Und die gehen mir auf die Eier. Nein, stimmt nicht. In Wahrheit mache ich mir vor Angst in die Hosen vor ihnen. Wie dem auch sei, mit Kirchen habe ich kein Problem. Vier Wände, eine Decke. Und eventuell noch ein großes Holzkreuz, an das ein Typ genagelt ist. Nichts, was ich nicht anderswo schon mal gesehen hätte.
Ich betrete die Kirche. Ein paar alte Frauen knien zwischen den Bänken und haben die Köpfe auf ihre gefalteten Hände gelegt. Vielleicht beten sie. Vielleicht sind es auch nur Junkies im Vollrausch. Die halten sich nämlich ebenfalls gerne in Kirchen auf. Ich gehe durch den Mittelgang an ihnen vorbei und dann durch die Tür hinter dem Altar. Ich gelange in einen schmalen Gang, der vor einer Bürotür und einer Treppe endet. Ich entscheide mich für die Treppe.
Und renne in einen Typen im Overall, der einen Werkzeugkasten mit sich herumschleppt. Er sieht meine Skimaske und die Sonnenbrille verwundert an.
Ich deute auf die Treppe.
– Fertig?
Für einen Moment sieht er verblüfft drein, dann nickt er und deutet mit dem Daumen in die Richtung, aus der er gekommen ist.
– Ja, alles klar. Wo find ich den...?
– In seinem Büro. Er wird Ihnen Ihren Scheck geben.
– Ach, wirklich? Okay. Danke.
Wir schieben uns aneinander vorbei, und ich erklimme die Treppe. Nach ein paar Absätzen erreiche ich eine mit einem Vorhängeschloss versperrte Tür. Ich will mich nicht lange mit den Dietrichen aufhalten, also packe ich das Schloss und reiße einmal kräftig daran. Die Schrauben, die das Schloss mit dem Türrahmen verbinden, lösen sich. Ich stoße die Tür auf. Himmel, ist das hell da draußen. Ich gehe aufs Dach und schließe die Tür hinter mir.
Zwischen mir und der Feuerleiter gegenüber klafft eine Lücke von etwa zwei Metern. Ich springe aus dem Stand. Dafür brauche ich keinen Anlauf. Mit einem gewaltigen Scheppern lande ich auf der Feuerleiter und klettere schnell daran hoch, bevor noch jemand aus dem Fenster sieht.
Nirgendwo Schatten. Ich balanciere über das mit Grünspan bedeckte Kupferdach bis zu einem dunklen Fenster. Ich zerschlage die Scheibe und steige ein. Anscheinend bin ich in einem kleinen separaten Gebäudeteil, der als Lagerraum dient. Überall Spinnweben, Kisten und seltsamerweise Gartengeräte. Aber keine Tür, die in das Gebäude selbst führt.
Ich sitze im Dunkeln und rauche. Dann lasse ich die Kippe fallen und trete sie aus. Mein Fuß landet auf einer Falltür. Scheiße, Joe, das nächste Mal sperrst du besser die Augen auf. Anscheinend hat das Ding so eine Art Federmechanismus. Ich drücke dagegen. Pech gehabt. Sie ist von der anderen Seite verschlossen. Ich trample darauf herum. Irgendetwas gibt nach. Ich trete noch mal kräftig zu. Die Tür klappt nach unten, eine schmale Leiter rutscht heraus und landet krachend auf dem Fußboden. Praktisch. Ich steige die Leiter hinunter und befinde mich auf einem schmalen Treppenabsatz mit nur einer einzigen Tür, die jedoch glücklicherweise niemand öffnet, um nach dem Rechten zu sehen. Wäre dem Betreffenden auch schlecht bekommen. Ich schiebe die Leiter wieder zurück und schließe die Falltür. Dann nehme ich die Treppe nach unten.
Die Wohnung des Grafen ist abgeschlossen. Ich hatte etwas in der Art erwartet und krame die Dietriche hervor. Es ist bestimmt ein ziemlich gutes Schloss. Luxuriöses Gebäude, folglich Qualitätsschlösser.
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