Blutrausch

Aber das sollte kein Problem sein. Mit einem frischen Beutel Blut intus kann ich jeden einzelnen Stift hören, ja sogar spüren, als ich ihn vorsichtig herunterdrücke. Dann ziehe ich meine Waffe und betrete die Wohnung.
    Sie sind bestenfalls halbnackt und liegen völlig weggetreten kreuz und quer übereinander in Ponchos Raum. Wären sie nicht komplett zugedröhnt, hätte ich sie beim Eintreten sicher geweckt. Andererseits sollte ich nicht von mir auf andere schließen. Wenn man so lebt wie sie, Freunde, Geliebte und einen Clan hat, der auf einen aufpasst, schläft es sich bestimmt ruhiger. Vielleicht bin ich ja der Einzige, der sofort hellwach im Bett sitzt, wenn er eine Fehlzündung hört, eine Ratte sich durch den Müll vor dem Haus wühlt oder ein Kind auf dem Gehweg in Gelächter ausbricht. Womöglich ist mein Leben ein kleines bisschen mehr im Arsch als das aller anderen. Aber das bezweifle ich. Ich glaube, dass wir alle in etwa gleich tief in der Scheiße waten, nur eben auf unterschiedliche Art und Weise. Ich betrachte den Grafen, Ponchos Beine, die um seine geschlungen sind, Zöpfchen und Schneewittchen, die neben ihm liegen.
     
    Mit der Stiefelspitze stupse ich seine Fußsohle an. Er macht eine Bewegung. Sie alle bewegen sich, aber nur der Graf öffnet seine Augen.
    – Was? Hmmm?
    – Morgen.
    – Joe?
    – Exakt.
    – Hey, wie steht’s, Mann?
    – Zeit zum Aufstehen.
    Er versucht ein müdes Lächeln.
    – Neee, noch nicht wirklich.
    Ich zeige ihm die Knarre.
    – Graf. Steh auf, oder ich erschieß deine Mädels.
    Poncho reißt die Augen auf.
    Ich richte die Waffe auf ihr Gesicht.
    – Bleib, wo du bist.
    Sie gehorcht. Der Graf erhebt sich. Er trägt einen blauweißen Slip und ein T-Shirt für kleine Mädchen, das seinen mageren Bauch entblößt. Buffy, die Vampirjägerin, ist auf die Vorderseite gedruckt.
    Ich deute auf seine Bräute, die langsam anfangen, sich aufzurappeln.
    – Sag ihnen, sie sollen bleiben, wo sie sind.
    Er fährt mit der Hand durch sein strubbeliges Haar.
    – Klar, kein Problem.
    Er wirft einen Blick auf seine Mädchen.
    – Ruhig bleiben, Ladies. Alles cool. Ist nur ein Missverständnis. Bleibt alle locker, ja? Joe und ich werden uns kurz unterhalten.
    Er sieht mich an.
    – Stimmt doch, oder?
    – Klar.
    Ich betrete vor ihm die Küche. Hinter uns linsen die Mädels durch den Türspalt.
    Der Graf deutet auf die Kaffeemaschine.
    – Willst du?
    – Nein.
    – Darf ich mir einen machen?
    – Nein.
    – Okay, okay. Also, was ist los?
    Er lehnt seinen mageren Hintern gegen den Tresen, verschränkt die Arme und reibt sich den Schlaf aus den Augen.
    – Willst du mich ausrauben? Bist du hinter meinem Stoff her?
    Ich deute auf sein T-Shirt.
    – Findest du das lustig?
    Er sieht auf die Vampirjägerin auf seiner Brust herab und zuckt mit den Schultern.
    – Keine Ahnung. Ja, irgendwie schon.
    – Ich hasse diese Scheiße. Diese selbstreferenzielle, ironische, popkulturelle Vampyrscheiße.
    – Ich...
    – Als ob alles nur ein Spiel wäre.
    – Das soll eigentlich gar nichts heißen. Ist nur ein T-Shirt.
    Ich schmettere den Lauf meiner Waffe gegen sein Nasenbein. Die Nase bricht, und Blut spritzt heraus. Er heult auf, geht in die Knie und legt die Hände übers Gesicht. Schon wieder einer, der das mit den Schmerzen noch nicht kapiert hat.
    – Fuck! O Scheiße!
    – Findest du das lustig, Graf? Passt das zu deinem hippen Vampyre -Lifestyle ?
    Ich trete ihm in den Magen. Er fällt auf die Seite und krümmt sich zusammen.
    Eines der Mädchen macht ein zischendes Geräusch. Ich mache mir nicht die Mühe, sie anzusehen. Stattdessen richte ich die Waffe auf den Kopf des Grafen.
    – Bleibt, wo ihr seid, sonst wird’s ungemütlich.
    Sie zischen weiter, nur leiser.
    Ich packe ein Haarbüschel und zerre ihm den Kopf aus den Händen.
    – Sind die Mädels deine Bräute, Graf? Brauchst du sie für deine Bram-Stoker-Nummer? Bessern sie irgendwie dein Image auf?
    Ich schlage ihm mit dem Pistolengriff ein paar Zähne aus. Die werden nicht mehr nachwachsen, das weiß ich. Schade aber auch.
    Zischen und Stöhnen.
    – Scheiß auf dich. Und auf deine Scheißspielchen. Kommst hier runter in die Gegend. Weil dir die Schwingungen hier mehr zusagen. Uptown ist nicht so dein Stil. Columbia ist dir zu spießig. Versteh ich gut. Ich war nämlich gerade selbst in Uptown. Klar, dass dir das nicht so zusagt. Man muss sich ja nur die Jungs ansehen, die die alte Schachtel um sich versammelt hat. Ist nicht gerade