Blutrausch
verfluchter Felsbrocken.
– Danke.
– Keine Ursache.
Er fährt los.
Ich gehe die Stufen zur Eingangstür hinauf und drücke auf die Klingel.
Terry öffnet mir höchstpersönlich die Tür.
– Hey, Joe. Hat alles geklappt?
Er ist nicht besonders überrascht, als ich ihm ins Gesicht schlage. Er steht einfach wieder auf, wischt sich das Blut von den Lippen und geht den Gang hinunter.
– Komm rein, Joe. Wenn’s um was Persönliches geht, sollten wir es besser drinnen besprechen.
– Früher oder später braucht jeder mal irgendwas. So ist das nun mal. Manchmal bekommt man nicht das, was man will, sondern das, was man braucht. Manchmal arbeiten die Clans gegeneinander. Besonders, wenn’s um Prinzipien geht, verstehst du? Die Society, der Hood, die Koalition. Wir alle haben verschiedene Ziele, unterschiedliche Philosophien. Also gibt es unweigerlich Konflikte. Aber, weißt du, es ist nicht gut, wenn die Balance gestört wird. Was ich hier erreichen will, was wir hier erreichen wollen, kann nicht von heute auf morgen geschehen. Dazu braucht’s Fingerspitzengefühl. In meinem Herzen bin ich ein Radikaler, sonst hätten wir uns niemals so endgültig von der Koalition losgesagt, aber auch die Koalition hat ihre Existenzberechtigung. Tom hatte als überzeugter Anarchist einfach nicht die Einstellung, die heutzutage gefragt ist. Das hab ich nicht sofort kapiert. Ich dachte, er hätte es drauf, war der Ansicht, er wäre ein talentierter Sicherheitschef. Aber da lag ich falsch. Hey, Macht verdirbt nun mal den Charakter. Der Typ hat’s einfach nicht geschnallt. Hat ein paar Dinge gesehen, die ihm nicht gefallen haben, und war der Meinung, er könnte es besser. Und im Handumdrehen hat er da diese ganzen neuen Gesichter um sich versammelt. Frischlinge. Und viel zu viele davon. Joe, kannst du dir vorstellen, dass er sie mit Absicht infiziert hat? Als ich mitbekommen hab, was er da treibt, war ich wirklich, also, Mann, ich war wirklich von den Socken. Undenkbar. Dass er mich bedroht hat, war noch das Wenigste. Hätten Predo, Digga oder einer von den kleinen Clans rausgefunden, was er da tut, hätten wir verdammt tief in der Scheiße gesessen. Ich musste was unternehmen, Mann. Aber eben mit Fingerspitzengefühl. Also hab ich mal die Fühler ausgestreckt. Mich umgehört, versucht, die Schwingungen zu spüren. Weißt du, es gibt so eine Art heißen Draht, durch den sich die Clans untereinander verständigen können, ohne gleich eine große Sache draus zu machen. Nur so zum Plaudern, verstehst du? Was so abgeht, wie die Stimmung ist. Und die Schwingungen, die ich empfangen habe? Mann, die waren ganz schön negativ. Alle waren aus dem Häuschen. Aber du weißt ja, jeder braucht mal irgendwas. Hab ich das schon gesagt?
Er nimmt seine Brille ab und legt sie beiseite.
– Sicherheit. Stabilität. Geborgenheit. Das wurde gebraucht. Ich, wir, die gesamte Society musste Tom loswerden. Beseitigen, wenn man’s genau nimmt. Und zwar schnell, bevor er und seine Frischlinge Ärger machen konnten. Digga, Luther Xs offizieller Nachfolger, wollte sich Papa Doc vom Hals schaffen, um seine Position weiter auszubauen. Dexter Predo wollte im Namen des Koalitionssekretariats dafür sorgen, dass Mrs. Vandewaters heimliche Pläne, den Hood zu destabilisieren und zurückzuerobern, vereitelt werden. Du siehst, alle großen Clans hatten ein Interesse daran, eine Bedrohung ihrer Sicherheit und ihrer Mitglieder abzuwenden. Vom Rest der infizierten Bevölkerung ganz zu schweigen. Das Ganze hätte eine Welle der Gewalt ausgelöst, wie wir sie seit den Sechzigern und Siebzigern nicht mehr erlebt haben. Damals konnten wir die Proteste, Unruhen und die hohe Kriminalitätsrate in gewisser Weise nutzen, um die eigentlichen Vorgänge dahinter zu verschleiern. Aber wenn so etwas wieder passiert? Wir wären einer großen Gefahr ausgesetzt. Bei dem ganzen Scheiß, der in unserer Gesellschaft so abläuft, dem Misstrauen und der Feindseligkeit zwischen den Leuten. Stell dir vor, da tauchen plötzlich Leute auf, die behaupten, sie wären eigentlich gar keine richtigen Menschen? Leute, die sich von anderen Leuten ernähren. So ein Konzept muss sehr vorsichtig vermittelt werden, Mann. Darum ging’s mir schon immer, das weißt du. Ein Krieg zwischen den Clans ist in der heutigen Zeit undenkbar. So eine Revolution, wie wir sie damals hatten, wird nicht noch einmal stattfinden. Denn sobald wir die Gelegenheit hatten, miteinander zu reden, sobald die ganze Sache
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