Blutrausch
endgültig raus.
Ich überlege, ob ich ihn nicht einfach hier und jetzt um die Ecke bringen sollte. Das Oberhaupt eines Clans. Meinen alten Kumpel.
Dann fische ich eine weitere Zigarette heraus und zünde sie mir mit einem Streichholz an.
Mir fällt das zerlegte Feuerzeug ein, das ich bei Vandewater zurücklassen musste. Ich muss mir ein neues besorgen. Es dauert Wochen, bis der Mechanismus so ausgeleiert ist, dass man es mit einem Fingerschnippen öffnen kann. In der Hinsicht hat das alte prima funktioniert.
Ich rauche.
Terry steht da und beobachtet mich. Ich starre zurück. Er hat’s nicht eilig. In den Backofen ist eine Uhr eingebaut. Es wird langsam spät.
Ich denke an letztes Jahr. Wie nah ich dran war, den Löffel abzugeben. Und zwar auf eine ziemlich hässliche Art und Weise. Und ich denke an die letzten achtundvierzig Stunden. Wie knapp es diesmal wieder war. Es ist auch ohne so einen Scheiß schon schwer genug, über die Runden zu kommen. Ich denke an den erbärmlichen Job, den er mir angeboten hat, Sicherheitschef, und was ich früher in dieser Funktion zu tun hatte.
Die Peitsche in seiner Hand.
Ich denke an den Teil in mir, dem das gefallen würde. Der Teil, für den die Erziehung meiner Eltern verantwortlich ist.
Terry wartet.
Scheiße.
– Nein.
Er lässt den Kopf hängen und nickt langsam.
– Ich habe alles versucht.
Er tritt zur Seite.
Ich will die Tür öffnen.
– Joe.
Ich bleibe stehen.
– Kannst du mir einen Gefallen tun? Ich werd mich bei Gelegenheit auch revanchieren.
Ich wende mich um.
– Was?
Er geht zum Kühlschrank und kommt mit dem Beutel Anathema zurück.
– Kannst du das jemand vorbeibringen?
Ich bin nicht besonders scharf auf diesen Auftrag. Aber ich kann jedes bisschen Wohlwollen brauchen, das Terry mir noch entgegenbringt. Zumindest, bis ich mich entschieden habe, wohin ich mich aus dem Staub mache.
Außerdem liegen mir noch ein paar unbeantwortete Fragen auf der Seele. Terrys Geschichte hatte ein paar Lücken. Zum Beispiel, wie alles miteinander zusammenhängt.
Da hat er schon recht, ich bin wirklich neugierig.
Auf mein Klingeln hin meldet sich eines der Mädchen. Sie lässt mich erst rein, als der Graf es ihr befiehlt. Ich nehme die Treppe zu seiner Wohnung. Poncho hält mir die Tür auf. Sie macht mir Platz und wirft mir einen hasserfüllten Blick zu.
Er sitzt zwischen Zöpfchen und Schneewittchen auf der Couch. Die Mädchen befeuchten abwechselnd sein Gesicht mit einem Tuch, obwohl alles, was verheilen kann, bereits verheilt ist.
Poncho geht an mir vorbei, umrundet die Couch und legt ihm die Hände auf die Schultern.
Er winkt mir mit dem kleinen Finger zu.
– Hey.
Ich nicke.
– Hey.
Er legt den Kopf schief.
– Alles cool zwischen uns?
– Ja. Alles cool.
– Cool. Setz dich, Mann. Ladies, seid nett zu ihm. Bietet ihm etwas an.
Zöpfchen schnaubt.
– Hab ihm letztes Mal schon was angeboten. Wollte er nicht. Außerdem war er so gemein zu dir.
Sie springt von der Couch, hüpft auf mich zu und beugt sich vor.
– Aber ich versuch’s trotzdem noch mal.
Ich hebe die Hand.
– Vielleicht erst mal ein Bier.
Sie richtet sich wieder auf, stemmt eine Hand in die Hüfte und deutet mit dem Finger auf mich.
– Du bist ein echter Spielverderber.
Sie wirbelt herum und wirft mir über die Schulter einen Blick zu.
– Aber dein Bier sollst du trotzdem haben.
Sie hopst zum Kühlschrank.
Schneewittchen hat den Kopf in den Schoß des Grafen gelegt. Er streichelt ihr Haar.
– Sicher, dass du nichts Härteres willst, Mann?
Er deutet auf den Kühlschrank. Zöpfchen steht in der Küche und macht eine einladende Geste vor der geöffneten Kühlschranktür, als würde sie den Hauptgewinn einer Gameshow anpreisen. Blut. Jede Menge davon.
– Bloß das Bier.
Er zuckt mit den Schultern.
– Wie du willst, Mann.
Zöpfchen kommt mit dem Bier und einem Flaschenöffner zurück. Sie macht es auf, nimmt einen Schluck und reicht mir die Flasche.
– Lecker.
Sie deutet auf meinen Schoß.
– Darf ich mich setzen?
Der Graf schnippt mit den Fingern.
– Komm her, Schatz. Der Mann ist nicht in Stimmung.
Sie kichert und geht auf ihn zu.
– Weiß ich schon. Mach ja nur Spaß. Ich mach ihn nur ein bisschen an.
Sie setzt sich neben ihn und legt ihren Kopf neben den von Schneewittchen.
– Und dann vernasch ich ihn.
Er tätschelt ihre Wange.
– Wie unanständig.
Ich deute auf seine Nase.
– Du solltest sie geradebiegen, bevor der Knorpel sich
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