Blutrose
erste Vernehmungsprotokoll und begann noch einmal zu lesen.
44
Die rundliche Blondine stellte ihren Kaffee ab, als Clare die Tür zum einzigen Reisebüro in Walvis Bay aufdrückte.
»Kann ich Ihnen helfen?« Ihr maskenhaftes Make-up drohte unter dem ersten Lächeln an diesem Tag zu zerspringen.
»Morgen, Sabina«, sagte Clare und setzte sich ihr gegenüber.
»Waren Sie schon einmal bei uns?« Das Mädchen sah sie verdattert an.
Clare deutete auf ihr Namensschild.
»Ach ja, natürlich«, sagte Sabina. »Was kann ich für Sie tun?« Sie tippte mit karmesinroten Fingernägeln auf ihre Tastatur und erweckte damit den Computer zum Leben.
»Ich wollte Sie fragen, ob Sie Mara Thomson kennen.«
»Ja.« Der hübsche Mund des Mädchens schloss sich nach der Silbe. »Ich habe ihren Heimflug gebucht. Falls Sie also nach ihr suchen – sie ist fort. Sie ist gestern abgeflogen.«
»Könnten Sie die Buchung für mich überprüfen?«, fragte Clare.
»Sicher«, sagte Sabina. Der Drucker murmelte und sirrte. »Da haben wir sie schon. Gestern. Lufthansa. Neun Uhr dreißig.«
»Und Sie haben das Ticket ausgestellt?«
»Genau. Vor einer Woche.«
»Wie hat sie gezahlt?«
»Mit Kreditkarte«, sagte Sabina. »Allerdings nicht mit ihrer eigenen. Jemand aus England zahlte für sie. Sehen Sie hier. Mrs Lily Thomson, steht hier. Battersea. Wo ist das?«
»In London«, antwortete Clare. »Kann ich das behalten?«
»Sicher. Stimmt etwas nicht damit?«
»Sie ist nicht in London angekommen. Ihre Mutter hat mich heute Morgen in Panik angerufen.«
»Schlimm!« Sabinas Hand flog an ihren Mund, doch ihre Augen funkelten angesichts dieses neuesten Klatsches. »Die arme Frau. Ich habe Mara noch davor gewarnt, es so lang aufzuschieben.«
»Was aufzuschieben?«
»Juan Carlos zu erzählen, dass sie nach Hause fliegen würde. Es fällt ihnen schwer, wenn sie so lange bleiben, diesen Ausländern. Ich habe sie gewarnt, dass Juan Carlos wütend werden würde, wenn sie ihn nicht rechtzeitig vorwarnen würde. Ihr Freund. Spanier und Seemann. Sie wissen ja, dass die lieber ein Mädchen verlassen als verlassen zu werden.«
Clare wusste das nicht, aber sie ging nicht weiter darauf ein.
»Fragen Sie meinen Freund.« Sabina schrieb eine Adresse auf einen Zettel und reichte ihn Clare. »Sie haben sich schrecklich
gestritten, Mara und Juan Carlos, vor dem Club, in dem Nicolai arbeitet.«
»Welcher Club ist das?«
»Der Blaue Engel. Sie waren bestimmt schon dort. Jeder geht dorthin.« Sabina überlegte kurz. »Erkundigen Sie sich am besten zuerst am Flughafen, aber falls sie wirklich nicht abgeflogen ist, dann fahren Sie dort vorbei und wecken Nicolai auf. Er weiß bestimmt, was Sache ist.«
Noch im Hinausgehen hörte Clare, wie das Mädchen die Neuigkeiten am Telefon einer Freundin mitteilte. Maras Verschwinden und Clares neugierige Fragen wären schon bald kein Geheimnis mehr.
Das Morgenflugzeug, das Walvis Bay täglich anflog, hatte schon wieder abgehoben, als Clare ihren Wagen geparkt und das trostlose Terminal betrat.
»Der Flug ist weg«, erklärte ihr der Mann am Check-in, noch bevor sie den Schalter erreichte. Er drückte die Sonnenbrille auf seine Nase und zog den Reißverschluss seiner Tasche zu.
»Ich will nicht fliegen«, sagte Clare. »Ich wollte mich erkundigen, ob gestern jemand Bestimmtes geflogen ist.«
»Da kann ich Ihnen nicht helfen. Die Passagierlisten sind vertraulich.«
»Es ist wichtig. Ich ermittle in einem Vermisstenfall.« Als Bürokratie getarnte Ignoranz löste in Clare jedes Mal den überwältigenden Wunsch aus, dem Betreffenden massive körperliche Schmerzen zuzufügen. »Ein Mädchen, das in London ankommen sollte und nicht im Flugzeug war.«
»Dann müssen Sie mit einer richterlichen Anordnung wiederkommen.«
Der Mann stand auf, schlüpfte in sein Sakko, verschwand durch die Tür hinter seinem Schalter und schlug sie vor Clares Nase zu.
Clare unterdrückte einen Fluch. Eine Zollbeamtin, die am Cafétisch Tee trank, winkte ihr zu.
»Dr. Hart«, sagte die Beamtin. »Haben Sie Ihren Flug verpasst?« Es war die gewichtige Frau, die bei Clares Ankunft ihren Pass abgestempelt hatte.
»Ich will nicht fliegen«, erklärte Clare. »Ich wollte herausfinden, ob gestern jemand Bestimmtes auf dem Lufthansa-Flug war.«
»Dieses Flugzeug«, nickte die Zollbeamtin, »hatte zwei Stunden Verspätung. Es ist erst um elf Uhr dreißig gestartet. Die Leute sind fast durchgedreht. Nach wem suchen Sie denn?«
»Nach einem
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