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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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des Hafens zu erkennen. Vom Delta aus erstreckte sich nach Norden eine schlanke, sandige Halbinsel, hinter der geschützt
die Lagune und Hafengewässer lagen. An der Spitze dieser umschlingenden Landzunge befand sich der Pelican Point, um den herum die abgeschwächten Atlantikgezeiten in die Bucht strömten. Die kleine Stadt kauerte sich hinter den Hafen. Es war ein trostloser Fleck, der nach dem Zusammenbruch der Fischereiindustrie endgültig dem Vergessen anheimzufallen drohte. Da der Ort aufgehört hatte, wie geplant zu wachsen, lag die Schule, in der die letzte Leiche gefunden worden war, immer noch am äußersten Stadtrand; ein Bollwerk gegen die roten Dünen, die langsam nach Norden vordrangen, bis der unterirdische Kuiseb River sie aufhielt.
    Ein einsamer Ort zum Leben und ein noch einsamerer Ort zum Sterben.
    Clare betrachtete die Fotos, die Tamar von dem toten Jungen gemacht hatte. Kaiser Apollis war vielleicht vierzehn Jahre alt gewesen, doch er war so unterernährt, dass es schwer war, etwas anderes in ihm zu sehen als das Kind, das er einmal gewesen war. Die dürren Arme umschlangen die angewinkelten Knie, und Arme und Beine schirmten das nicht mehr schlagende Herz ab. Schlanke Knöchel verschwanden in viel zu großen Turnschuhen. Selbst auf dem schlechten, körnigen Ausdruck konnte Clare den teuren Nike-Bogen erkennen. Die Stirn ruhte auf den Knien, und der Hinterkopf fehlte. Die Autopsie war für den nächsten Tag angesetzt. Dann würde das Skalpell des Pathologen alle Geheimnisse herausschälen, die der Körper dieses toten Kindes noch bergen mochte.
    Als das Flugzeug in den Landeanflug überging, klappte Clare die Akte zu und ließ die Stirn gegen das Fenster sinken. Im Westen hielt der Strand mit der weiß schäumenden Brandung die roten Dünen im Zaum. Dahinter erstreckte sich der rastlose Atlantik. Die tief stehende Sonne hob die vom Wind geformten Dünen der Namibwüste hervor, die mit winzigen, verarmten Siedlungen durchsetzt war. Ab und an konnte Clare ein Wellblechdach ausmachen oder die hellen Tupfen einer Ziegenherde,
die unter den Uferakazien des unterirdisch fließenden Kuiseb River grasten – Beweise für die dünne menschliche Besiedlung. Walvis Bay selbst lag unsichtbar unter einem Laken aus Nebel.
    Clare ließ die Gedanken zu Riedwaan zurückwandern. Ihr Zorn war verraucht, aber es war keine innere Ruhe, sondern nur kalte Asche zurückgeblieben. Sie vermisste ihn so stark, dass es weh tat. Wer hätte das gedacht?

    »Dreißig Tage.« Die massige Zollbeamtin ließ Clares Einreisevisum in eine Schachtel zu ihren Füßen fallen. Als sie den gestempelten Pass zurückreichte, bohrte ein unerwartetes Lächeln zwei Grübchen in ihre runden Wangen. »Captain Damases hat Sie schon angekündigt.«
    Tamar Damases wartete bereits in der Ankunftshalle, als Clare durch die Tür trat. Ihr herzförmiges Gesicht war so schön, wie es Clare in Erinnerung hatte, aber die schmale Taille versteckte sich hinter einem Schwangerschaftsbauch, der auf einen bedrohlich nahen Entbindungstermin hindeutete.
    Tamars grüne Augen strahlten auf, als sie Clare wiedererkannte. »Lassen Sie mich helfen.« Sie fasste nach Clares Koffer.
    »Sie werden gar nichts tragen«, protestierte Clare. »Sie sehen aus, als sollten Sie direkt ins Krankenhaus fahren.«
    »Ich sehe nur so dick aus, weil ich so klein bin«, lachte Tamar. »Ich bin froh, dass Sie kommen konnten.«
    Tamar führte Clare zu einem weißen Isuzu-Pickup mit zwei Sitzbänken. Ein Polizist lehnte rauchend an der Ladefläche. Das schwarze Hemd spannte sich über der muskulösen Brust. Sein helles Haar war kurz geschoren, was sein ebenmäßiges Gesicht hart wirken ließ.
    »Sergeant Kevin van Wyk«, sagte Tamar, »das ist Dr. Clare Hart.«
    »Willkommen.« Der Mann gab Clare die Hand, machte
aber keine Anstalten, ihren Koffer auf die Ladefläche zu heben.
    Während sie vom Flughafen wegfuhren, drehte van Wyk das Radio gerade so laut auf, dass jede Unterhaltung anstrengend gewesen wäre. Clare orientierte sich an Tamar Damases, schaute schweigend auf die vorbeiziehende Wüste und fragte sich im Stillen, wie viel sich seit ihrem letzten Besuch wohl verändert hatte.
    Vor zwei Jahren hatten die Fischfabriken, die wie hungrige Kormorane rund um den Hafen hockten, noch gewaltige Mengen verschlungen. Clare hatte gefilmt, wie ein Schiff nach dem anderen seinen silbernen Fang abgeladen hatten. Namibias elegant gekleidete Elite, die den Hafen umkreist hatte wie ein

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