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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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dickem schwarzem Wachsmalkreidegekritzel über seinem Geschlecht. Jemand hatte »Joy« unter die Zeichnung geschrieben.
    »So hieß sie«, erklärte Tamar. »Ich war letzte Woche auf ihrer
Beerdigung. Ihr Stiefvater hat sie totgeschlagen. Er sagte, sie sei frech gewesen.«
    »Wie alt war sie?«, fragte Clare.
    »Sechs.« Tamars Stimme bebte.
    An der Wand hingen gerahmte Fotos eines lachenden etwa elfjährigen Jungen und eines kleinen, in Barbie-Rosa gekleideten Mädchens mit freundlichen Grübchen.
    »Hübsch«, sagte Clare. »Sind das Ihre?«
    »Die Kinder meiner Schwester. Sie ist gestorben, seither leben sie bei mir.«
    »Das tut mir leid«, sagte Clare.
    »Es sind liebe Kinder.« Tamar tätschelte ihren Bauch. »Das Kleine wird in eine Instant-Familie geboren. Sie haben keine Kinder?«
    »Ich selbst nicht. Aber ich bin auch Tante. Meine ältere Schwester hat zwei Mädchen.«
    Tamar stellte Wasser auf. »Tee?«
    »Bitte. Roiboos?«, fragte Clare.
    »Eine Detektivin trinkt nichts anderes.« Tamar reichte ihr grinsend eine Tasse. »Das ist der Terminplan.« Sie zog ein Blatt Papier mit einer Liste von Namen und Daten hervor. »Der Stadtdirektor will Sie sehen.«
    »Schön«, sagte Clare. »Aber warum?«
    »Sie sind das Tagesgespräch, und diese Morde waren ein Schock. Wenn hier jemand ermordet wird, dann geht es um eine im Hafenbecken treibende Prostituierte oder um einen in einer Kaschemme abgestochenen Matrosen.«
    »Oder um ein kleines Mädchen wie Joy«, murmelte Clare.
    »Oder um ein kleines Mädchen wie Joy, richtig.« Tamars Tasse klapperte auf der Untertasse. »Meine Entscheidung, Hilfe von außerhalb zu holen, wurde nicht uneingeschränkt begrüßt. Serienmörder passen nicht zu der neuen Vision von Walvis Bay als Touristenmekka.«
    »Sie spazieren also über ein politisches Minenfeld?«

    »Das«, erwiderte Tamar, »ist eine Untertreibung. Seit der Fischfang eingebrochen ist, sind ein paar wichtige Menschen ausgesprochen nervös geworden. Sie haben alle ihre Hoffnungen auf den Tourismus gesetzt, und mit toten Jungen lockt man nicht allzu viele Touristen an.«
    »Ich werde eine Stadtführung der besonderen Art brauchen.« Clare konzentrierte sich wieder auf den Terminplan.
    »Elias kann Sie morgen herumfahren«, sagte Tamar. »Er ist hier geboren, was sonst kaum jemand von sich sagen kann, deshalb kennt er alles und jeden hier. Er spricht sogar die Sprache der Topnaars.«
    »Topnaars?« Clare zog die Stirn in Falten. »Sind das nicht diese Wüstenmenschen?« Sie waren ihr vage von ihrem vorigen Aufenthalt in Erinnerung.
    »Genau. Sie wohnen am Kuiseb River und sind in der Wüste zu Hause wie sonst keiner. Wahrscheinlich haben Sie ihre Hütten gesehen, als Sie heute Morgen gelandet sind.«
    »Stimmt«, sagte Clare. »Weiße Ziegen überall auf den Dünen. Im ersten Moment sah es aus wie Schnee.«
    »Das waren sie«, bestätigte Tamar. Sie stellte ihre Teetasse ab. »Ich muss vor unserer Besprechung mit den hohen Tieren unbedingt etwas essen, sonst stehe ich das nicht durch.«

9
    »Das ist die Venus Bakery. Die führen auch ein Restaurant, in dem man sehr gut essen kann.« Tamar parkte unter einer Palme am anderen Ende der Stadt. Eine Gruppe von Jungen löste sich vom Stamm der Palme ab.
    »Ich passe auf Ihren Wagen auf«, sagte der größte.
    »Warum bist du nicht in der Schule, Lazarus?«
    »Verzeihung, Miss.«

    Der Junge blickte auf seine Schuhe und ließ die Schultern in lang geübter Zerknirschung hängen, bis Tamar an ihm vorbeiging. Dann versuchte er sein Glück beim nächsten Wagen und stieß eilig einen kleineren Jungen aus dem Weg, als er sah, dass Touristen darin saßen. Er trug ein verdrecktes weißes Hemd mit einem aufgedruckten silbernen Fisch. Die Bäckerei befand sich an einer Ecke, ihre Wände waren in einem festlichen Blau gestrichen. Üppige Kuchen und Torten wurden hinter der Glastheke des Verkaufsbereiches zur Schau gestellt, und weiter hinten standen mehrere Tische, an denen größtenteils zufrieden aussehende Mittagsgäste saßen.

    »Die Pesca-Marina Fishing gibt es noch?« Clare erinnerte sich von ihrem Dokumentarfilm her an die Fischereigesellschaft.
    »Ja. Als eine der wenigen. Die Gesellschaft sponsort alles und jedes. Sie versuchen ihren Namen reinzuwaschen, nachdem sie diese Küste totgefischt haben. Calvin Goagab, der hiesige Manager, den Sie später kennenlernen werden, hält selbst Anteile daran. Inzwischen haben sie sich auf Spezialfischerei verlegt, auf Edelprodukte für

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