Blutrose
den Export.«
»Was heißt das genau?« Clare folgte Tamar an einen Ecktisch.
»Das heißt abgepackten Fisch für uns andere«, antwortete Tamar lächelnd. Sie bestellte Brötchen und Kaffee, die sofort gebracht wurden.
»Lecker«, sagte Clare. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie hungrig sie war. »Und wozu soll die Besprechung gut sein, wenn es noch nichts zu berichten gibt?«
»Der Bürgermeister hat ein spezielles kommunales Polizeiforum wegen der zunehmenden familiären Gewalt eingerichtet. Nachdem diese Leiche auf einem Spielplatz gefunden wurde, rief Goagab mich an und wollte wissen, wie ich den Fall angehen würde. Darauf erklärte ich ihm, dass ich eure neue grenzübergreifend ermittelnde Einheit um Hilfe gebeten hätte
und dass Sie schon unterwegs seien. Er meinte, er wolle Sie kennenlernen.«
»Verständlich«, sagte Clare.
»Goagab ist ein schwieriger Mann und empfindet es anscheinend als persönlichen Affront, dass er wegen des toten Jungen zu spät zur Arbeit gekommen ist. Am besten lassen wir ihn sagen, was er zu sagen hat. Er ist nicht wirklich begeistert, dass wir ihn vor vollendete Tatsachen gestellt haben, was unsere Vereinbarung mit der südafrikanischen Polizei angeht.«
Clare und Tamar gingen die zwei Blocks zum Rathaus zu Fuß.
»Da scheint jemand unter einem Anfall von Größenwahn gelitten zu haben«, meinte Clare, als sie den Betonbunker erblickte, der sich aus einer extravaganten Rasenwildnis erhob. Vor dem Gebäude wirkten die vereinzelten Bürger, die, ihre zweifelhaften Bescheide in den Händen haltend, die Stufen hinaufhasteten, wie Zwerge.
»Geld von der Armee«, sagte Tamar. »Südafrikas Vorposten in der Wüste.«
Nach dem Eintreten brauchte Clare ein paar Sekunden, um sich im Halbdunkel der höhlenartigen Eingangshalle zu orientieren. Tamar drückte die geschnitzte Doppeltür zum Verwaltungsflügel auf, wo ihre Schritte von einem dicken, grellbunten Teppichboden geschluckt wurden.
»Hallo, Anna«, begrüßte Tamar eine elegante junge Frau, die hinter der riesigen Empfangstheke vollkommen fehl am Platz wirkte. »Wir müssen mit Mr Goagab sprechen.«
»Haben Sie einen Termin, Miss Damases?« Das Mädchen trug Lipgloss auf ihre vollen Lippen auf.
»Immer noch Captain Damases, meine Liebe. Und Sie selbst haben das Treffen angesetzt.« In Tamars Stimme lag so viel Ironie, dass sie sogar Annas Selbstversunkenheit durchdrang. Das Mädchen zog einen scharlachroten Fingernagel den Terminplan entlang, dann entschlang sie die übereinandergeschlagenen
Beine und ging Clare und Tamar voran durch den Korridor.
»Damases und die Psychologin aus Kapstadt«, sagte sie, noch während sie die Tür zum Konferenzraum des Bürgermeisters aufstieß. Zigarrenrauch waberte in der überhitzten Luft. Vergoldete Stühle mit spindeldürren Beinen und roten Kissen waren um einen Tisch arrangiert. Die schweren Samtvorhänge an den Fenstern wurden mit dicken Goldtroddeln zurückgehalten, die eher in ein Bordell gepasst hätten. Die Kombination wirkte gleichermaßen absurd und düster.
»Meine Damen, willkommen.« Der ihnen am nächsten sitzende Mann erhob sich in seinem hauteng geschneiderten, kohlschwarzen Anzug. »Ich bin Calvin Goagab. Verantwortlich für die Sauberkeit in der Stadt. Sie sind Dr. Hart?«
»Die bin ich.« Clare hielt seinem Blick stand. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Darf ich vorstellen, das ist unser verehrter Bürgermeister Mr D’Almeida.« Clare erwartete fast, dass Goagab sich verbeugen oder sie zu einem Hofknicks drängen würde, doch er konnte sich gerade noch zurückhalten.
»Nennen Sie mich bitte Fidel«, sagte der Bürgermeister. »Calvin liebt diese Zeremonien, aber ich bin ein einfacher Mann. Setzen Sie sich, Tamar. In Ihrem Zustand dürfen Sie sich nicht überanstrengen. Setzen Sie sich. Setzen Sie sich doch, Dr. Hart. Anna, bringen Sie den Damen einen Tee.« Die Sekretärin schloss die Tür so energisch, dass es um ein Haar wie ein Zuknallen klang.
»Sie laufen, habe ich recht?« D’Almeida war ein kompakter Mann von etwa fünfzig Jahren mit eisengrauem Haar, das sich von seiner olivfarbenen Haut abhob. Er nahm Clare wohlwollend in Augenschein.
»Das tue ich«, sagte sie.
»Dann müssen Sie an unserer Lagune entlanglaufen. Da können Sie die Flamingos sehen.« Er wandte sich an Tamar.
»Sie wohnt in dem Bungalow? Hoffentlich wird ihr das nicht zu eng.«
Anna brachte ein Tablett herein und stellte es ab. Sie ließ Tee in vier Tassen plätschern und
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