Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
Vom Netzwerk:
sein nasser Hund aneinandergekuschelt auf dem Vordersitz. Beide grinsend. Clares Gesicht glühte noch von seiner Berührung. Sie rieb sich über die Wange und leckte dann den Finger ab. Er schmeckte salzig. Wie Blut.

15
    Tamar Damases hatte für Clares Gespräch mit Shipanga ein Fahrzeug bereitstellen lassen. Clare unterschrieb die Bestätigung, bekam die Schlüssel ausgehändigt und fuhr keine fünf Minuten später in ihrem Allradwagen über die breite Straße, die nach Kuisebmond führte, jener Township, in der der Hausmeister lebte. Die stillen Stadtstraßen lösten sich in einem Geflecht von kleinen Gassen auf, und sie musste langsam fahren, um den hin und her flitzenden Kindern und den räudigen, klapperdürren Hunden ausweichen zu können. Die gesprungenen Platten der Bürgersteige waren vollgestellt mit Buden, aus denen einzelne Zigaretten oder Plastiktüten mit einer Zwiebel und zwei Kartoffeln verkauft wurden. Frauen hockten an blakenden Feuern, frittierten intensiv duftende »Vetkoek« –
mit Hackfleisch oder Sirup gefüllte Teigtaschen – oder brieten Schweinsfüße. Männer schauten mit glasigem Blick und der konzentrierten Präzision der permanent Betrunkenen aus den Kaschemmen, wenn Clare an ihren dunklen »Shebeens« vorbeifuhr, bevor sie sich wieder über die Pooltische beugten.
    Die Adresse, die Clare von Tamar bekommen hatte, war im Dickicht der Behausungen ohne Bedeutung. Clare bog auf gut Glück in eine neu angelegte Straße, die sie weg von den größeren Häusern und in ein Labyrinth enger Gässchen führte. Blechhütten und Plastikplanen waren durch Ziegelstein-Schuhschachteln ersetzt worden. Grün, rot, rosa, gelb, braun: fröhlich gestrichen, lieblos gebaut. Smartie-Häuser. Eine Horde dickbeiniger Bengel rannte neben dem Wagen her. Clare stellte das Auto ab. Ein Gefolge von Kindern drängte sich um ihre offensichtliche Anführerin, ein neun- oder zehnjähriges Mädchen, das mit großen Augen verfolgte, wie Clare aus dem riesigen Wagen stieg.
    »Wo wohnt Herman Shipanga?«, fragte Clare das Mädchen.
    Das fette Baby auf der Hüfte des Mädchens heulte erschrocken auf und vergrub das Gesicht an ihrem Hals.
    »Komm!«, strahlte das Mädchen. Clare folgte ihr durch die sandigen Hinterhöfe, in denen die Wäsche knatterte und ein paar Maispflanzen ums Überleben kämpften.
    »Da.« Das Mädchen zeigte auf ein gelbes Haus. Die kleinen Jungs drängten gegen ihre dürren Beine. Einige steckten die Daumen in den Mund und beobachteten mit ernstem Blick, wie Clare an die Tür klopfte. Drinnen konnte sie ein Radio krächzen hören. Es klang wie ein Gottesdienst, aber die Sprache war ihr fremd.
    Die Tür öffnete sich eine Handbreit. Aus dem Halbdunkel blickte ein drahtiger Mann, etwas kleiner als sie, Clare an. Seine Haare waren grau gesprenkelt, die Wangenknochen hoch und breit, die dunklen Augen gütig.
    »Herman Shipanga?«

    Der Mann nickte argwöhnisch. Die Luft, die dem Haus entkam, schmeckte schal und war beladen mit dem Geruch von zu vielen Menschen auf zu engem Raum.
    Clare zeigte ihre provisorische Polizeimarke vor. Shipanga machte die Tür weiter auf und nahm sie ihr ab. »Ich bin Clare Hart. Ich untersuche den Tod von Kaiser Apollis.« In den Augen des Mannes flackerten Angst, Wut und Trauer auf; Clare konnte das nicht genau bestimmen. »Ich wollte Ihnen ein paar Fragen über ihn stellen. Darüber, wie Sie ihn gefunden haben.«
    Shipanga reagierte nicht. Clare wiederholte die Frage auf Afrikaans. Ihr Gefolge aus Straßenkindern drängte näher.
    »Einen Augenblick«, antwortete Shipanga auf Englisch. Er schloss die Tür, und das Radio verstummte. Dann öffnete er die Tür wieder und stellte zwei Colakisten vor dem Haus ab. »Sit, asseblief.«
    Clare gehorchte und setzte sich.
    »Voetsek!« Shipanga erhob drohend die Hand, woraufhin die Kinder wie Möwen auseinanderstoben und sich in sicherer Entfernung wieder versammelten.
    »Englisch?«, fragte Clare.
    Shipanga senkte den Blick und breitete die Hände aus.
    Sie wechselte ins Afrikaans zurück. »Sie haben den Jungen gefunden?«
    Shipanga nickte. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen, als wollte er das Bild ausradieren.
    »Ich habe Ihre Aussage gelesen«, sagte Clare. »Aber ich wollte noch einmal persönlich von Ihnen hören, was sie am Montag gesehen haben, und zwar von Anfang bis Ende.«
    Shipanga wandte nicht den Blick von ihr. Der Anfang? Seine Finger suchten nach den erhabenen Narben auf seiner Wange. Präzise Einschnitte, mit

Weitere Kostenlose Bücher