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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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Asche gefüllt, damit er Zeit seines Lebens gezeichnet war als jemand, der dazugehörte. Aber das war vor vierzig Jahren gewesen. Die eng geflochtenen Bande von Familie und Clan oben im Norden waren spröde geworden
und schließlich gerissen. Die Wucht dieser Implosion hatte ihn hierher auf dieses Stück trostlosen Sandes geschleudert. Sie hatte ihn zunächst in den schaukelnden Eingeweiden einer schwimmenden Fischfabrik gefangen gehalten, bis sie ihn unter herabstürzenden Kisten mit filetiertem Fisch begraben hatte. Dann hatte sie ihn wieder ausgespien und ihn eine Weiberarbeit annehmen lassen, Wischen und Toiletten putzen, bei der er sein verkrüppeltes Bein hinter sich her schleifen konnte, bis er dem toten Kind auf der Schaukel von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden hatte. Das Ende? Schwer zu sagen. Shipanga starrte auf seine Schuhe.
    »Wir haben sie früher oft so gefunden«, sagte er schließlich. »Draußen vor den Dörfern.«
    Clare wartete ab und beobachtete, wie Shipanga seine Erinnerungen sammelte und in einer Sprache, die keinem von beiden wirklich eigen war, nach Worten suchte.
    Shipanga sah Clare unübersehbar frustriert an. Die Worte passten nicht zu dem, was er ihr erzählen wollte – der Schock einer verschütteten Vergangenheit, die mit der Gegenwart kollidierte. »Ich habe ihn gefunden«, sagte er. »Die Kugel im Kopf. Wie die Hinrichtungen, als die Armee da war, im Norden …« Seine Stimme versagte.
    Dass kein Krieg mehr war, dachte Clare, bedeutete noch lange nicht, dass Frieden herrschte. Die elementare Gewalt des Krieges, das Trauma formten einen Menschen auf unnatürliche Weise, so wie der Wind entlang der Skelettküste die Bäume zu bizarren Gestalten beugte.
    »Sie haben ihn gefunden«, drängte Clare. »Erzählen Sie mir, wie Sie ihn gefunden haben.«
    Shipanga strich die Falte in seiner Hose glatt. Jemand hatte sie liebevoll gebügelt. »Ich habe früh gegessen. Ich bin nach der ersten Sirene der Fischfabrik los. Vor sechs. Ich bin direkt in die Schule. Hab meinen Rechen geholt, weil ich sauber machen wollte.«

    »Wie sind Sie aufs Schulgelände gekommen?«
    »Hinten herum. Ich kürze den Weg immer zwischen den Häusern ab.«
    »Haben die Hunde gebellt?«, fragte Clare.
    »Ich gehe immer da durch«, sagte Shipanga. »Sie sind an mich gewöhnt.«
    »Haben Sie jemanden gesehen?«
    Shipanga schüttelte den Kopf. »Meine Frau war hier mit den Kindern. In der Schule und auf dem Weg dahin war es sehr neblig. Ich habe niemanden gesehen. Und niemand hat mich gesehen.« Er verstummte und schien abzuwägen, was das zu bedeuten hatte.
    »Niemand war früher als Sie in der Schule?«
    »Nur Mrs Ruyters. Ihr Wagen war da. Sie selbst habe ich nicht gesehen.«
    »Haben Sie damit gerechnet, dass sie dort sein würde?«, fragte Clare.
    »Sie kommt immer als Erste.«
    »Fangen Sie immer auf dem Kleinkinderspielplatz an?«
    »Immer. Ein paar Kinder kommen früh. Mrs Ruyters möchte, dass der Spielplatz dann fertig ist.« Shipanga zupfte an seiner ausgefransten Manschette. »Als ich ihn da gesehen habe«, fuhr er fort, »habe ich zuerst gedacht, er ist eines von den größeren Kindern und will mich nur ärgern. Dann hat der Wind ihn zu mir gedreht, und ich habe die Fliegen auf seinem Gesicht gesehen.«
    »Haben Sie ihn berührt?«
    »Ich habe das schon Sergeant van Wyk gesagt«, erzählte Shipanga. »Ich bin gerannt, ich wollte Hilfe holen. Der Rektor war schon da, und er hat die Polizei angerufen. Ich habe den Jungen nicht mehr gesehen. Ich musste alle aufhalten, die in die Schule kommen wollten.«
    »Und wer war das?«
    »Es waren nicht viele«, sagte Shipanga. »Mr Meyer natürlich.
Er kommt immer früh. Und der kleine Junge, Oscar. Er hilft mir manchmal, oder er geht zu Mrs Ruyters.«
    »Wer kam sonst noch so früh?«
    »Alle anderen sind wieder weggefahren, als sie die Polizeiautos und den Krankenwagen gesehen haben. Nur Calvin Goagab hat Ärger gemacht.« Shipanga verzog den Mund, als schmeckte der Name bitter. »Er wollte seine Söhne unbedingt in der Schule lassen.«
    »Kommt er oft so früh?«, fragte Clare.
    »Er macht, was er will. Er ist ein mächtiger Mann. Er arbeitet jetzt für den Bürgermeister. Er hat ein schönes Haus. Er vergisst, dass er von hier kommt.« Shipanga deutete auf den schmuddeligen Verfall rund um sie herum. Die stillen, neugierigen Kinder huschten wieder in die Schatten zurück.
    »Benutzt außer Ihnen noch jemand den Hintereingang?« Clare versuchte es mit einem

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