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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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einen
Schluck Limonade. »Hier draußen kommt einem alles so unwirklich vor.«
    Eine Brise kam heiß und kurzlebig von der Wüste her auf. Als sie erstarb, senkte sich die Luft wie ein Mantel über sie. Clare lehnte sich gegen den Baum in ihrem Rücken. Sie war müde, und die Hitze machte sie schläfrig. Tamar packte den Picknickkorb aus und häufte Berge von Weißbrot auf die Tischplatte.
    »Hier«, sagte sie. »Die müssen wir schmieren.«
    Clare nahm das Messer. Es glitt durch die Margarine und löste sie in abstoßend träge Öltröpfchen auf. Tamar schnitt den Käse auf und wedelte dabei die plumpen Fliegen weg, die auf das freiliegende Essen zubrummten. Scheiben blutleerer Tomaten warteten welkend unter ihrer Plastikfolie.
    »Wie finden Sie Walvis Bay bei Ihrem zweiten Besuch?«, fragte Tamar, während Clare die Brote bestrich.
    »Stiller. So als wäre die halbe Stadt mitten in der Nacht abgezogen. Die Seele scheint mit verschwunden zu sein.«
    »Aber es entwickelt sich wieder eine, trotz alledem und wider besseres Wissen.«
    Clare blickte auf die Dünen, diese rostbraunen Locken aus Sand, die sich neben dem schwarzen Einschnitt des Kuiseb kräuselten. »Es sieht so aus«, sagte sie.
    »Ihr Profil? Was für ein Gefühl haben Sie dabei?«
    »Ich habe immer noch das Gefühl, dass mir etwas entgeht.« Clare legte die letzten mit Margarine beschmierten Brotscheiben auf einen der Teller. »So als würde ich durch eine Tür hindurch ein Gespräch belauschen, das zu leise ist, als dass ich die Worte wirklich verstehen würde. Ich bekomme das Grundgefühl, den Tonfall, die Richtung eines Dialogs mit, aber die Worte fehlen mir trotzdem. Vielleicht brauche ich etwas Abstand, um meinen Kopf wieder klar zu bekommen.«
    »Superintendent Phiri hat angerufen, bevor wir losfuhren.
Captain Faizal müsste Anfang nächster Woche hier sein. Die Formalitäten sind geklärt.«
    Riedwaans Name stand zwischen ihnen. Als Provokation oder als Sympathiebeweis? Genau vermochte Clare das nicht zu sagen. Sie fragte sich, ob Tamar etwas wusste und wenn ja, was. Nicht dass es noch viel zu wissen gegeben hätte.
    »Tante, Tante, komm, wir müssen dir was zeigen!« Die Kinder platzten aus dem Gebüsch, ein Wirbel aus Gekreisch und fliegenden Zöpfen und großäugigem Entsetzen. Tamars Hand griff unwillkürlich nach der Pistole, die sie in ihre Hose gesteckt hatte und die dort auf den in seiner wassergefüllten Höhle schwebenden Fötus drückte. Eine Brise rollte von den Dünen herunter, umstrich Clares Nacken und hob die feinen Härchen an.
    »Was ist denn, Angela?«, fragte Tamar.
    »Komm schnell, komm schnell!« Das Kind hüpfte hysterisch von einer rosa Sandale auf die andere. Weiter oben im Flussbett hatten die Kinder einen Tunnel in dem Gebüsch entdeckt, das nach drei ertragreichen Regenzeiten gesprossen war. Clare musste sich bücken, während sich Angela und Tupac durch das Holz schlängelten. Der Weg wand und bog sich wie ein Irrgang. Ab und zu war ein Ast zurückgeschnitten worden, um einen Pfad freizulegen. Der süßliche Gestank des Todes hing in der Luft. Clare gefror das Blut in den Adern, als sie sich vorzustellen versuchte, wer vor ihnen hier gewesen war.
    Das kleine Mädchen trat auf eine freie, stellenweise sonnenbeschienene Fläche. Vor einer kleinen Höhle in der steilen, schwarzen Klippenwand war ein Halbkreis aus Steinen errichtet worden. Vor der Felswand stand ein improvisierter Altar; die Stummel mehrerer Kerzen beugten sich wie betrunken und in der Hitze halb zerschmolzen zur Seite. Inmitten der verstreuten weißen Blüten am Eingang zu der Lichtung vor ihnen hing schlaff wie eine verdorrte Frucht ein kleiner Leichnam.
Clare trat vor und berührte das rotbraune Fell des Kadavers. Die Haut fiel bereits ab und entblößte groteske Streifen von nacktem Fleisch. Die Fliegen sammelten sich dort, wo das Leben aus dem Körper geflossen war.
    »Tupac, bring deine Schwester bitte zum Picknickplatz zurück«, sagte Tamar.
    Angela klammerte sich an ihre Tante, und auf ihren vollen Wangen glänzten Tränen. »Wer war das? Wer hat das mit dem Kätzchen gemacht, Tante Tamar?«
    Tamar ging neben ihrer verstörten Nichte in die Hocke und zog sie in ihre Arme. Das Kind vergrub ihren Kopf an Tamars Hals.
    Clare schritt die Lichtung langsam ab. Überall lagen verblichene Coladosen und weggeworfene Zigarettenstummel, die zum Teil, vor allem wenn es leichtere Marken waren, verräterische Lippenstiftspuren trugen. Sie hob einen davon auf.

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