Blutrose
Theke und fragte nach einem Piri-piri-Hähnchen.
»Tut mir leid, Miss. Nur Fisch oder Russen.« Die rosa Würste lagen glänzend in ihrem fettigen Trog. Hinter ihm brutzelte eine Ladung aufgespießter Karkassen am Drehgrill. »Der Strom ist heute Morgen ausgefallen. Hähnchen gibt’s in einer halben Stunde.«
»Aber kein gebackenes?«
»Nein.« Der Mann an der Kasse verschränkte die Arme vor dem Bauch und beendete damit das Gespräch. Seine Augen hefteten sich auf den Mann, der neben Clare an die Kasse getreten war. »Ja?«, fragte er.
»Zwei Russen.« Der spanische Singsang des Kunden brachte sein Englisch zum Klingen. Er ließ die Rosenkranzperlen klicken, während er den Rest seiner Bestellung herunterbetete. »Zwiebelringe, Pommes, zwei Cola.« Der Mann drehte sich zu Clare um. »Versuchen Sie es mit dem Lover’s Hill.« Sein Gesicht war fein geschnitten, die Haut samtig unter dem Sonnenbrand. »Die machen die besten Hähnchen. Würzig. Scharf.«
»Danke, mache ich.« Clare verließ den düsteren Imbiss und trat in die gleißende Sonne, die den Meeresnebel vertrieben hatte.
»Hallo, Dr. Hart.« Maras Hand fühlte sich für ein so dürres Mädchen erstaunlich kräftig auf Clares Arm an.
»Hallo, Mara«, sagte Clare. »Was machen Sie denn hier?«
»Juan Carlos hat Landgang bekommen. Wir holen uns nur schnell was zu essen.«
»Ihr Freund?«, fragte Clare. »Ich glaube, ich habe eben mit ihm gesprochen.«
Der junge Spanier gesellte sich zu ihnen. »Ihr kennt euch?«
»Ja«, sagte Mara. »Das ist Dr. Hart. Das ist Juan Carlos. Dr. Hart ist hier, um die Morde aufzuklären. An Kaiser und den anderen Jungen. Sie sagen mir doch Bescheid, wenn Sie herausgefunden haben, wer es war?« Maras Augen begannen zu glänzen, sobald sie Kaiser erwähnte.
»Wenn wir es herausfinden, werden Sie das mit Sicherheit auch aus der Zeitung erfahren«, sagte Clare.
»Beeilen Sie sich«, sagte Juan Carlos. Er strich mit den Fingern um Maras schlanken Hals und setzte einen Kuss auf ihren Mund. »Sie verlässt mich bald. Wenn sie nicht so schön wäre, ich würde etwas dagegen unternehmen.« Mara errötete bis unter die Haarwurzeln.
»Wann reisen Sie ab?«, wollte Clare wissen.
»Nächste Woche.« Mara schaute auf ihre Hände. »Mein Visum läuft ab. Kommen Sie doch zu meiner Abschiedsparty, wenn Sie dann noch hier sind. Am Samstagabend.«
»Redet nicht über deine Abreise, wenn ich bin dabei.« Juan Carlos schlang die Arme um Maras Taille und zog sie an seine Brust. Im Weggehen schob er eine Hand unter ihr Hemd. Clare ging an der Lagune entlang zu dem Café auf dem Lover’s Hill und merkte plötzlich, wie schmerzlich ihr Riedwaan fehlte. Der Imbiss war leer bis auf die Frau an der Kasse und den Koch, der an der Theke lehnte und die Fußballergebnisse studierte.
»Kann ich Ihnen helfen?« Die Frau blickte wie gebannt auf den Fernseher.
»Ein Hühnchen-Piripiri«, sagte Clare.
»Antonio! Hähnchen mit Fritten!«, bellte die Frau. »Was zu trinken dazu?«
»Nein danke.«
Die Frau nahm Clares Geld und reichte ihr dafür den Kassenzettel. »Den geben Sie Antonio.« Die Kassiererin wandte sich von ihr ab und versenkte sich wieder in ihre Seifenoper.
Clare gab dem Koch den Zettel. Er warf einen Blick darauf und schob ihn über den Tresen zurück.
»Unser bestes Gericht, das Hühnchen-Piripiri«, versprach er, nahm ein Hühnerteil und wälzte es in Panade und Gewürz. Es brutzelte, als er es in das siedende Öl der Fritteuse senkte. Die dicken Kartoffelschnitze färbten sich knusprig golden. Clare konnte sich vorstellen, wie sich der Magen eines ausgehungerten Jungen bei diesem Duft zusammenzog.
Das Geräusch eines Automotors lenkte sie ab. Es war ein vorbeirasender Landrover.
»Die Wüstenstraße«, meinte Antonio. »Die Leute fahren wie die Henker. Dauernd passieren Unfälle. Vor allem wenn sie getrunken haben.«
»Kommt das oft vor?«
»Diese Namibier. Nüchtern setzen sie sich gar nicht erst ans Steuer; jeden Tag bringen sie sich gegenseitig um.«
»Sie stammen nicht von hier?«
»Nein. Ich bin aus Angola«, sagte Antonio. »Ich bin nur zum Arbeiten hier. In meinem Land gibt es nichts. Früher war dort Krieg, jetzt ist dort nichts mehr.« Er wickelte Clares Gericht in ein Papier, legte es in eine Plastiktüte und steckte Servietten und Tomatensoße dazu. »Bon apetito.«
»Danke.« Clare holte ein paar Fotos aus ihrer Handtasche. »Ich habe mich gefragt, ob vielleicht einer dieser Jungen je hier gewesen
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