Blutrot wie die Wahrheit
ruhig fort, âhaben Sie auf jeden Fall nicht von mir gehört.â
Nell hob ihre rechte Hand, als wolle sie einen Schwur leisten. âWenn es sein muss, schwöre ich auch gern auf die Bibelâ, versicherte sie ihm, froh darüber, dass Cook sich nun doch bereit zeigte, ihr zu helfen. Zweifellos veranlassten wohl auch Skinners offensichtliche Abneigung ihm gegenüber und die dadurch wenig erfreulichen Arbeitsbedingungen ihn dazu, nun zu reden. Doch Hauptsache, er redete.
Die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt, beugte Cook sich vertraulich vor. âKurtz war ganz auÃer sich wegen eines Buches von Virginia Kimball, das plötzlich spurlos verschwunden war.â
âEin Buch? Was für ein Buch?â
Cook hob ratlos die Schultern, lehnte sich wieder zurück und griff nach seiner Tasse. âSie haben es nur âdas Rote Buchâ genannt. Es muss wohl noch irgendwo im Haus sein, oder hätte zumindest da sein sollen. Klang so, als hätte Skinner das ganze Haus auseinandergenommen, um es zu finden. Hat er zumindest behauptet. Kurtz schien zu glauben, dass Skinner es haben könnte und aus irgendeinem Grund nicht damit herausrücken wollte, aber Skinner beharrte darauf, dass dem nicht so sei. Dann wollte Kurtz noch wissen, ob das Rote Buch auch was damit zu tun hätte, dass den ganzen Tag über diese reichen Schnösel sich bei ihm die Klinke in die Hand gegeben hätten.â
âHat er Namen genannt?â
âEin paar. Einer war Maximilian Thurston, der Dramatiker.â
âEr war mit ihr befreundetâ, sagte Nell und musste an den Zeitungsartikel denken, den sie heute Morgen gelesen hatte. âEr soll die beiden aufgefunden haben. Stimmt doch, oder?â
âStimmt. Anscheinend hat Thurston hier schon auf Skinner gewartet, als der heute Morgen zur Arbeit erschien. Dann noch Horace Bacon â¦â
âDer Untersuchungsrichter? Den habe ich sogar mal getroffen.â Auf Violas Bitte hin hatte sie Bacon vor anderthalb Jahren ein nicht unbeträchtliches Bestechungsgeld ausgehändigt, um ihn dazu zu bewegen, das Urteil eines anderen Richters aufzuheben, der Will nach dessen Verhaftung die Freilassung auf Kaution verwehren wollte. Bacon hatte den dicken Umschlag so selbstverständlich entgegengenommen, als seien Bestechungsgelder Teil seiner täglichen Arbeit. âWer noch?â, fragte sie weiter.
âWeyland Swann, der Bankier. Und Isaac Foster ⦠Dr. Isaac Foster â groÃe Nummer in Harvard.â Cook rieb sich sein wuchtiges Kinn. âIch glaubâ, das warâs.â
âUnd Kurtz war der Ansicht, sie wären alle wegen dieses Roten Buches zu Skinner gekommen?â
âEntweder das, oder dass sie ihn dafür bezahlt haben, damit er den Fall zügig zum Abschluss bringt, ohne dass einer von ihnen zum Verhör vorgeladen wird und sich unangenehmen Fragen stellen muss.â
âWas nahelegt, dass sie wohl zumindest einen Teil der Schuld tragen, oder zu tragen meinenâ, überlegte Nell. âAber gleich vier Schuldige? Und heute Nachmittag dann noch Orville Pratt â macht fünf.â
âWie schon gesagt, Pratt kann auch wegen rein rechtlicher Fragen hier gewesen seinâ, wandte Cook ein. âAber was die andern anbelangt ⦠Eine Sache, die man in meinem Beruf lernt, ist, dass eigentlich jeder irgendwas zu verbergen hat.â
Wie wahr , dachte Nell, die Cook gegenüber hinsichtlich ihrer eigenen Vergangenheit bislang nicht mitteilsamer gewesen war als gegenüber Brady.
âKurtz sagte, er vermute, dass Skinners Brieftasche nach dem Besuch dieser Herrschaften wohl um einiges besser gefüllt sein dürfte, als am Morgen, da er zur Arbeit kamâ, fuhr Cook fort, âaber er solle bitteschön nicht vergessen, dass er eigentlich auf der Gehaltsliste der Stadt steht.â
âHat Skinner abgestritten, von diesen Männern Geld bekommen zu haben?â
âNeeâ, winkte Cook ab. âFür so dumm wollte er Kurtz dann doch nicht verkaufen.â
Nell hielt sich mit ihrer Meinung über die korrupten Gepflogenheiten der Polizei zurück. Denn sie wusste, dass auch Colin Cook hin und wieder mal die Hand aufhielt. So war das eben.
âKurtz gab Skinner Anweisung, das Buch zu finden, und zwar schleunigstâ, sagte Cook. âEr meinte noch, er wolle nicht, dass es in die falschen Hände geriete und alles weiter verkompliziere. Skinner
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