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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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begonnen hatte, war sie von den maßgeschneiderten Kleidern, die Viola ihr hatte anfertigen lassen, gleichermaßen begeistert und enttäuscht gewesen. Begeistert, weil Nell bis dahin nur fadenscheinige, abgenutzte Sachen aufgetragen hatte, und enttäuscht, weil die neuen Kleider so schlicht waren. Im Laufe der Jahre hatte sie diese schlichte Eleganz dann zwar sehr zu schätzen gelernt – aber sie hatte es eben erst lernen müssen.
    â€žIch versuche, mein Bestes zu geben, Miss Sweeney“, versicherte ihr Cook, als er das Bandeau wieder im Karton verstaute, „aber die Wahrheit ist doch, dass wir paar Detectives hier nur deshalb an diese Arbeit gekommen sind, weil wir uns bei der Aufklärung von Diebstählen so gut bewährt hatten. Als ich jung war, gab’s in Boston vielleicht einen Mordfall im Jahr, manchmal auch gar keinen. 1860 hab ich als Constable bei der Polizei angefangen. Raten Sie mal, wie viele Menschen seitdem in dieser Stadt umgebracht worden sind.“
    Nell dachte nach, aber sie kam gar nicht dazu, eine Schätzung abzugeben.
    â€žSiebzig!“ Er knallte den Deckel auf den Karton, stemmte die Hände in die Hüften und sah sie erwartungsvoll an. „Siebzig Mordfälle in den letzten neun Jahren.“
    â€žMein Gott.“
    â€žEinundsiebzig, Mrs. Kimball mitgezählt. Aber noch immer gilt: Wenn in dieser Stadt jemand umgebracht wird und nicht gleich ganz klar ist, wer’s war, bleibt die Sache wohl auf immer ungelöst. Einen Mord aufzuklären, ist eine schwierige Angelegenheit, und meines Wissens gibt es bei uns niemanden, der wirklich Erfahrung damit hat. Was wir aber machen – und das machen die Polizisten der meisten großen Städte so –, ist, den Bürgern eine Belohnung für Informationen zum Fall oder dafür auszusetzen, dass sie den Schuldigen bei uns melden.“
    â€žUnd das funktioniert?“, fragte Nell zweifelnd.
    â€žLängst nicht gut genug, wie ich finde. Ich versuche Kurtz ja schon eine ganze Weile davon zu überzeugen, dass wir endlich raus aus unseren Büros und uns draußen selbst die Hände schmutzig machen müssen, uns nicht nur darauf verlassen dürfen, dass jemand den Täter verpfeift – zumal die, die uns was zutragen, meist keinen Deut besser sind als jene, die sie lauthals beschuldigen. Wir müssen uns selbst ein paar gute Strategien überlegen, wie wir solch mörderischem Gesindel auf die Schliche kommen wollen. Und wenn diese Schurken dann erst mal am Strang hängen, soll’n sie nicht mehr unsere Sorge sein – dann Gnade ihnen Gott und Ruhe ist.“
    â€žMeinen Sie denn, dass Kurtz auf Ihren Rat hört?“, fragte Nell.
    â€žNee! Wie denn auch, wenn die andern ihm andauernd stecken, wie blöd ich bin? Insbesondere Skinner. Er glaubt, dass wir einfach nur höhere Belohnungen aussetzen müssten, und die Sache sei erledigt. Fauler Hund, will sich nur vor seiner Arbeit drücken.“ Cook wies zurück in sein Büro. „Sieht so aus, als wären wir hier drin fertig.“
    Nell zögerte und warf noch einmal einen Blick auf die beiden Kartons, die am Boden standen. „Dort sind sämtliche Kleider drin, die Mrs. Kimball und Miss Gannon zum Zeitpunkt ihres Todes getragen haben, nicht wahr?“
    â€žDie Kleider und alle persönlichen Gegenstände, die sie bei sich hatten.“ Der Detective verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust und schaute Nell mit einem Blick an, der keinen Zweifel daran ließ, dass er ganz genau wusste, worauf sie nun schon wieder hinauswollte. „Was meinen Sie wohl, wie Skinner reagieren würde, wenn er herausfände, dass ich eine neugierige junge Dame – und eine irische noch dazu – in seinem Beweismaterial hab’ rumschnüffeln lassen?“
    â€žEr wird es nicht herausfinden. Ich lege alles wieder genau so zurück, wie ich es vorgefunden habe. Außerdem scheint mir, dass es nur dann Beweismaterial wäre, wenn es auch zur Aufklärung des Falls verwendet würde, was aber ganz offensichtlich nicht so ist, da der Fall ja als gelöst und somit abgeschlossen gilt und gar nicht mehr vor Gericht kommt. Und Skinner findet doch, dass die Polizei auf die Mithilfe der Bürger setzen sollte, um die Mordfälle in unserer Stadt aufzuklären.“ Mit einem triumphierenden Lächeln breitete sie die Arme aus. „Bitte schön, ich bin eine Bürgerin dieser

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